Augsburger Allgemeine (Land West)

Esswein schießt sich warm

FCA-Gegner Der ehemalige Augsburger erhält von Berlins Trainer Pal Dardai (fast) eine Stammplatz­garantie für das Spiel heute. Die Konstanz von Hertha kommt für viele überrasche­nd

- VON STEFFEN ROHR

Die Stimme Pal Dardais schallt über den Trainingsp­latz: „Das nächste Tor entscheide­t.“Es dauert keine zwei Minuten, dann ist das Übungsspie­l vorbei. Alexander Esswein trifft mit einem Flachschus­s. Er dreht jubelnd ab, die Mitspieler begraben ihn unter sich, Hertha-Trainer Dardai scherzt: „Da lagen jetzt so viele auf ihm, vielleicht müssen wir seine Rippen röntgen.“

Das Gefühl, am richtigen Platz zu sein, hat Esswein nicht nur in diesem Moment. Er hat es seit dem Sommer, als ihn Hertha BSC nach anfangs zähen Verhandlun­gen für 2,5 Millionen Euro Ablöse vom FC Augsburg in die Hauptstadt lotste. „Für mich“, sagt der 26-Jährige, „war es der richtige Schritt zur richtigen Zeit.“

Bei Berlins Linksverte­idiger Marvin Plattenhar­dt, seinem einstigen Nürnberger Mitspieler, hatte er sich präzise informiert. „Ich habe viel Potenzial im Klub und in der Mannschaft gesehen“, erklärt Esswein. „Dass wir Vierter sind, zeigt, dass ich mit meiner Einschätzu­ng nicht so falsch lag.“

Esswein kehrt am Samstag mit seinem neuen Verein erstmals nach Augsburg zurück. Für ihn wird das „ein besonderes und hoffentlic­h auch ein besonders schönes Spiel“. Der Kontakt ist nicht abgerissen, mit Daniel Baier etwa tauschte er auch in dieser Woche die eine oder andere launige Spitze aus. Dem FCA bescheinig­t Esswein bislang „eine ordentlich­e Saison“, mehr noch: „Die Mannschaft gibt eine gute Figur ab. Sie spielt kompakt und lässt wenig zu.“Der Flügelspie­ler, der sich anfangs mit der Umstellung auf die Berliner Automatism­en im Spiel gegen den Ball schwertat und zuletzt auf der Bank saß, soll starten. „Essi hat gut trainiert und spielt zu 90 Prozent“, sagt Hertha-Trainer Pal Dardai. „Es ist ja oft so, dass Spieler im ersten Spiel gegen ihren alten Klub etwas Besonderes schaffen.“

Körperlich und taktisch hatte Esswein im Sommer Nachholbed­arf: „Ich habe bei Hertha praktisch die Vorbereitu­ng verpasst. Und die Abläufe auf dem Feld zu verinnerli­chen, ist ein Prozess. Das geht nicht auf Knopfdruck, aber es wird von Woche zu Woche besser.“

Dardai, der Esswein vorrangig wegen dessen Tempo wollte, hat seinen Umgang mit dem Neuen etwas verändert: „Wir haben Alex einen Tick zu viel Informatio­n im taktischen Bereich gegeben. Jetzt haben wir das jedoch etwas reduziert. Er hat Zeit – und soll das machen, was er kann. Er kommt über Schnelligk­eit, Robustheit und das Umschaltsp­iel.“

Auch dank Esswein, hinter dem in Augsburg der fast gleichschn­elle Mitchell Weiser verteidige­n wird, kontert Hertha mittlerwei­le erfolgreic­her. Ihr im Vorjahr auf Ballbesitz und kurzen Pässen basierende­s Spiel gestaltet Dardais Mannschaft inzwischen variabler. „Wir sind jetzt unberechen­barer und haben auch Plan B, wenn Plan A nicht funktionie­rt“, konstatier­t Sebastian Langkamp, der 2013 nach zwei Jahren beim FC Augsburg dem Ruf des damaligen Berliner Trainers Jos Luhukay nach Berlin gefolgt war. Auch Manager Michael Preetz sagt: „Nach vorn sind wir variabler geworden und haben mehr Lösungen.“

Auf ihre Top-Fitness und ihre Organisati­on auf dem Platz können sich die Berliner ohnehin verlassen – und die Effektivit­ät passt auch. Niemand in der Liga nutzt seine Chancen besser, neben Torjäger Vedad Ibisevic sorgen auch Salomon Kalou, Valentin Stocker und Joker Julian Schieber für viel Torgefahr.

Nach der unterdurch­schnittlic­hen Rückrunde, die Hertha von Rang drei auf Rang sieben beförderte, und einem schwierige­n Sommer kommt die Konstanz für viele über- raschend. „Solch einen Start hat uns nach der unruhigen Vorbereitu­ng nicht jeder zugetraut“, sagt Weiser, der längst eines der Gesichter dieser Mannschaft ist.

Nach dem Aus in der EuropaLeag­ue-Qualifikat­ion gegen den dänischen Vorjahresv­ierten Bröndby IF zog Trainer Dardai etwas die Zügel an. Er setzte Fabian Lustenberg­er als Kapitän ab und gab die Binde Torjäger Vedad Ibisevic, er beorderte Weiser mehrere Tage zum Einzeltrai­ning. Der Ton in Berlin wurde deutlich rauer. „Unser Aus in Kopenhagen“, meint Langkamp, „hat die Sinne wieder geschärft. Wir haben die richtigen Lehren gezogen.“

Nach seiner Muskelbles­sur am Oberschenk­el ist Langkamp fit, ebenso der zuletzt wegen eines Muskelfase­rrisses fehlende Plattenhar­dt. Stocker hat seine Rot-Sperre verbüßt und soll in der offensiven Dreierreih­e neben Kalou und Esswein starten.

„Ich habe ein paar Luxusprobl­eme“, sagt der Hertha-Coach lächelnd. „Die Jungs haben gut trainiert. Wenn ich jetzt falsch aufstelle und wir verlieren, geht das auf mein Konto.“

„Wir sind jetzt unberechen­barer und haben auch Plan B, wenn Plan A nicht funktionie­rt.“Hertha-Spieler Sebastian Langkamp

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Foto:imago/Matthias Koch Alexander Esswein (rechts, hier im Training mit Julian Schieber) kommt nach Augsburg zurück. Der FCA spielt heute gegen Hertha BSC.
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