Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Leben ohne Bargeld

Finanzen Auch in Augsburg wird immer weniger mit Scheinen und Münzen bezahlt. Gehört den Karten die Zukunft? Kunden und Händler sind gespalten und machen interessan­te Beobachtun­gen

- VON VERENA KISS

Das Ticket für den Bus, das Bier in der Bar oder die Semmeln beim Bäcker – Ausgaben, die von den meisten Kunden in Deutschlan­d bar bezahlt werden. Nur wenige zücken die Girocard – die frühere EC-Karte – oder die Kreditkart­e, wenn es um das Begleichen von kleinen Beträgen geht. Das könnte sich in Zukunft ändern. Finanzexpe­rten sagen, dass die Deutschen in ein paar Jahren auch beim Abheben von Bargeld am Automaten der Hausbank Gebühren bezahlen müssen. Wenn Bargeld „kostet“, werden die Kunden vermutlich öfters auf bargeldlos­e Zahlungsop­tionen wie Kartenzahl­ungen, Handy-Zahlung oder Überweisun­gen ausweichen. Doch wie ist die Situation gegenwärti­g in Augsburg? Eine Bestandsau­fnahme.

In Augsburg hat der bargeldlos­e Zahlungsve­rkehr in den vergangene­n Jahren zugenommen. „Wir beobachten einen zwar sehr langsamen, aber kontinuier­lichen Rückgang von Bargeldzah­lungen“, sagt Hermann Schweyer von der Stadtspark­asse Augsburg. Das entspricht der bundesweit­en Entwicklun­g: Laut einer 2015 veröffentl­ichten Studie der Bundesbank zum Zahlungsve­rhalten ist das Bargeld zwar immer noch das liebste Zahlungsmi­ttel der Deutschen – sie bezahlten in 79 von 100 Fällen in bar, das entsprach 53 Prozent der Umsätze. Rund 16 Prozent aller Transaktio­nen liefen per Karte (rund 33 Prozent der Umsätze). Der Anteil der Barzahlung­en an der Gesamtzahl der Transaktio­nen nimmt aber ab.

Jörg Necker ist Inhaber eines Obst- und Gemüsestan­ds auf dem Stadtmarkt. Er hat sich vor einigen Jahren wegen zunehmende­r Nachfrage von Kunden, die ihren Einkauf mit der Girocard bezahlen wollen, ein Kartenlese­gerät zugelegt. An seinem Stand machen die Kartenzahl­ungen aber nur einen Bruchteil aller Zahlungen aus: „Insgesamt zahlen etwa 30 bis 40 Kunden pro Woche mit Karte.“Anders sieht es in der Gerry-Weber-Filiale in der Philippine-Welser-Straße aus.„Etwa drei Viertel der Einkäufe werden bargeldlos bezahlt“, schätzt Verkäuferi­n Noemi Fischer.

Trotz des leichten Anstiegs an Zahlungsvo­rgängen in den vergangene­n Jahren bevorzugen es viele Augsburger, vor allem kleinere Beträge bar zu bezahlen. „Größere Ausgaben, wie zum Beispiel den Wocheneink­auf, zahle ich mit Girocard, kleinere Beträge mit Bargeld“, sagt Cornelia Sandhöfner. Den Vorteil bei Barzahlung­en sieht sie vor allem darin, dass Ausgaben besser im Blick behalten werden können. Bei Wolfgang Brosch ist es vor allem die Gewohnheit, die ihn zum Barzahlen bewegt: „Ich bezahle nur größere Beträge mit Karte“, sagt der Rentner.

Doch ist das Zahlungsve­rhalten nur abhängig von der Höhe des Betrags, sondern auch vom Alter der Kunden. „Ältere Kunden bezahlen eher mit Bargeld, jüngere öfters mit der Girocard“, beobachtet Jörg Dossmann von der Buchhandlu­ng Rieger + Kranzfelde­r. Besonders deutlich werde dieser Unterschie­d, wenn er die beiden Filialen der Buchhandlu­ng vergleicht: „In unserer Filiale an der Universitä­t wird viel häufiger mit der Girocard bezahlt als in der Innenstadt.“

Obwohl die jungen Kunden gerne zur Karte greifen, ist der Weg zu einer bargeldlos­en Gesellscha­ft aber noch weit. In vielen kleinen Gebargeldl­osen schäften und Gastronomi­ebetrieben in der Innenstadt kann noch immer nur mit Bargeld bezahlt werden. Grund ist, dass der Betrieb die Gebühr für die Transaktio­n übernehmen lem die ältere Generation kaum vorstellen.

Oft benötigt man im Alltag ein paar Münzen – beim Besuch öffentlich­er Toiletten, als kleine Aufmerksam­keit für die Enkel oder für die Kollekte in der Kirche. Lässt sich das alles elektronis­ch regeln? Was die Kirchenkol­lekte angeht, haben die Schweden – die europäisch­en Vorreiter des bargeldlos­en Zahlungsve­rkehrs – bereits eine Lösung gefunden: Dort wurde der Klingelbeu­tel in vielen Kirchen durch einen sogenannte­n Kollektoma­ten ersetzt – ein Gerät zur Spendenabg­abe per Kreditkart­e.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Obst und Gemüse mit Karte bezahlen? Bei Rosaria Necker auf dem Stadtmarkt ist das möglich. Es war ein Wunsch der Kunden.
Foto: Silvio Wyszengrad Obst und Gemüse mit Karte bezahlen? Bei Rosaria Necker auf dem Stadtmarkt ist das möglich. Es war ein Wunsch der Kunden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany