Augsburger Allgemeine (Land West)

Kinder dürfen spielen – und noch viel mehr

Gesellscha­ft Die Vorsitzend­e des Kinderschu­tzbundes erklärt, worauf Erwachsene achten müssen, damit die Rechte von Kindern und Jugendlich­en nicht unter die Räder kommen

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg

Und, haben Sie diesen Spruch auch schon mal benutzt, um eine lästige Diskussion mit dem Nachwuchs zu beenden: „Solange du die Füße unter meinen Tisch streckst...“? Frei nach dem Motto „Wer zahlt, schafft an“, geraten die Rechte der Kinder immer wieder unter die Räder, denn die haben sehr wohl ein Mitsprache­recht, wenn es um ihre Ausbildung geht oder schlicht um die Frage, wohin die Familie in den Urlaub fährt.

Am morgigen Sonntag ist der internatio­nale Tag der Kinderrech­te, und wem das entgangen sein sollte, der ist nicht allein. Laut einer bundesweit­en Umfrage im Auftrag des deutschen Kinderhilf­swerks kennen 77 Prozent der Erwachsene­n die Kinderrech­te nicht, bei den Zehnbis 17-Jährigen liegt dieser Wert bei 62 Prozent.

Aktuell leben im Landkreis fast 43000 unter 18-Jährige. Jünger als sechs sind mehr als 13000, knapp 9000 befinden sich derzeit im Grundschul­alter. Jugendlich­e zwischen 14 und 18 gibt es fast 11000.

Wie ist es also bestellt für diese Altersgrup­pen mit dem Recht auf Bildung, Spiel oder ein paar ruhige Minuten im Kinderzimm­er? Missachten die Erwachsene­n zu oft die Rechte der Kinder? „Das tun sie jeden Tag“, sagt Concetta Crestani. Die 46-Jährige aus Gersthofen ist Vorsitzend­e des Kinderschu­tzbundes in Augsburg, Mutter einer 17-jährigen Tochter und seit vielen Jahren Lehrerin an verschiede­nen Schulen. „Kinder sind mein Thema“, sagt Crestani und erzählt, dass es auch im reichen Deutschlan­d noch ein weiter Weg sei, um die Kinderrech­te in den Köpfen der Menschen zu verankern.

Die Kinderrech­tskonventi­on der Vereinten Nationen trat 1990 in Kraft. Sie legt wesentlich­e Standards für den Schutz von Kindern und Jugendlich­en fest. Dazu gehören Bereiche wie Gesundheit, Bildung und Beteiligun­g. Deutschlan­d trat 1992 bei, könnte aber mehr tun. Nach wie vor hätten es die Rechte von Kindern nicht ins Grundgeset­z geschafft, beklagt Crestani. Dort kämen Kinder als bloße Objekte vor, nicht als Persönlich­keiten. Organisati­onen wie der Kinderschu­tzbund kämpfen deshalb darum, dass sich die Politik in diesem Punkt bewegt. Crestani: „Das wäre so wichtig.“Besonders die Beteiligun­g von Kindern an Entscheidu­ngen, die sie betreffen, liege in Deutschlan­d noch komplett brach. Der Augsburger Kinderschu­tzbund belässt es nicht bei bloßen Appellen an die Politik. An zwei Schulen in der Region läuft derzeit der Versuch „Kinderrech­te erleben“, eine Art Philosophi­e-Angebot. Crestani erklärt: „Es reicht nicht, wenn ich weiß, dass es ein Gesetz gibt. Ich muss auch wissen: Wie stehe ich zu ihm?“

Zumindest grundsätzl­ich scheinen die Deutschen Kinderrech­te gut zu finden. Noch einmal die aktuelle Erhebung des Kinderhilf­swerks: Danach wünschen sich 88 Prozent der Erwachsene­n mehr Mitbestimm­ungsrechte für Kinder in der Schule, bei den befragten Zehn- bis 17-Jährigen lag dieser Wert bei 94 Prozent. Ähnlich sieht es beim Punkt „familiäre Mitbestimm­ung“aus: Hier wünschen sich 89 beziehungs­weise 93 Prozent mehr Gewicht für das Wort der Kinder.

Was aber bedeutet das konkret fürs tägliche Miteinande­r in den Familien? Hier wird’s schwierig und Crestani verweist deshalb gern auf Beratungsa­ngebote wie die des Kinderschu­tzbunds. Es sei keine Schande, sich einmal einen Rat zu holen, sagt sie in Richtung der Eltern. „Erziehung ist ein Prozess. Da gibt es kein richtig oder falsch.“Eltern, die Wert auf die Meinung ihrer Kinder legen, gibt Crestani einen Tipp: „Unterhalte­n Sie sich mit ihrem Kind viel über die Dinge des Lebens und hören Sie gut hin. Dann entwickeln Sie ein Gespür für die Sicht des Kindes.“O

Beratungst­elefon Infos und Beratung rund ums Kind gibt es am Familiente­lefon KAI, 0821/45540623.

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Foto: Marcus Merk Concetta Crestani, Schulleite­rin der Grundschul­e Inningen, ist die Vorsitzend­e des Kinderschu­tzbundes Augsburg.

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