Augsburger Allgemeine (Land West)
Kinder dürfen spielen – und noch viel mehr
Gesellschaft Die Vorsitzende des Kinderschutzbundes erklärt, worauf Erwachsene achten müssen, damit die Rechte von Kindern und Jugendlichen nicht unter die Räder kommen
Landkreis Augsburg
Und, haben Sie diesen Spruch auch schon mal benutzt, um eine lästige Diskussion mit dem Nachwuchs zu beenden: „Solange du die Füße unter meinen Tisch streckst...“? Frei nach dem Motto „Wer zahlt, schafft an“, geraten die Rechte der Kinder immer wieder unter die Räder, denn die haben sehr wohl ein Mitspracherecht, wenn es um ihre Ausbildung geht oder schlicht um die Frage, wohin die Familie in den Urlaub fährt.
Am morgigen Sonntag ist der internationale Tag der Kinderrechte, und wem das entgangen sein sollte, der ist nicht allein. Laut einer bundesweiten Umfrage im Auftrag des deutschen Kinderhilfswerks kennen 77 Prozent der Erwachsenen die Kinderrechte nicht, bei den Zehnbis 17-Jährigen liegt dieser Wert bei 62 Prozent.
Aktuell leben im Landkreis fast 43000 unter 18-Jährige. Jünger als sechs sind mehr als 13000, knapp 9000 befinden sich derzeit im Grundschulalter. Jugendliche zwischen 14 und 18 gibt es fast 11000.
Wie ist es also bestellt für diese Altersgruppen mit dem Recht auf Bildung, Spiel oder ein paar ruhige Minuten im Kinderzimmer? Missachten die Erwachsenen zu oft die Rechte der Kinder? „Das tun sie jeden Tag“, sagt Concetta Crestani. Die 46-Jährige aus Gersthofen ist Vorsitzende des Kinderschutzbundes in Augsburg, Mutter einer 17-jährigen Tochter und seit vielen Jahren Lehrerin an verschiedenen Schulen. „Kinder sind mein Thema“, sagt Crestani und erzählt, dass es auch im reichen Deutschland noch ein weiter Weg sei, um die Kinderrechte in den Köpfen der Menschen zu verankern.
Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen trat 1990 in Kraft. Sie legt wesentliche Standards für den Schutz von Kindern und Jugendlichen fest. Dazu gehören Bereiche wie Gesundheit, Bildung und Beteiligung. Deutschland trat 1992 bei, könnte aber mehr tun. Nach wie vor hätten es die Rechte von Kindern nicht ins Grundgesetz geschafft, beklagt Crestani. Dort kämen Kinder als bloße Objekte vor, nicht als Persönlichkeiten. Organisationen wie der Kinderschutzbund kämpfen deshalb darum, dass sich die Politik in diesem Punkt bewegt. Crestani: „Das wäre so wichtig.“Besonders die Beteiligung von Kindern an Entscheidungen, die sie betreffen, liege in Deutschland noch komplett brach. Der Augsburger Kinderschutzbund belässt es nicht bei bloßen Appellen an die Politik. An zwei Schulen in der Region läuft derzeit der Versuch „Kinderrechte erleben“, eine Art Philosophie-Angebot. Crestani erklärt: „Es reicht nicht, wenn ich weiß, dass es ein Gesetz gibt. Ich muss auch wissen: Wie stehe ich zu ihm?“
Zumindest grundsätzlich scheinen die Deutschen Kinderrechte gut zu finden. Noch einmal die aktuelle Erhebung des Kinderhilfswerks: Danach wünschen sich 88 Prozent der Erwachsenen mehr Mitbestimmungsrechte für Kinder in der Schule, bei den befragten Zehn- bis 17-Jährigen lag dieser Wert bei 94 Prozent. Ähnlich sieht es beim Punkt „familiäre Mitbestimmung“aus: Hier wünschen sich 89 beziehungsweise 93 Prozent mehr Gewicht für das Wort der Kinder.
Was aber bedeutet das konkret fürs tägliche Miteinander in den Familien? Hier wird’s schwierig und Crestani verweist deshalb gern auf Beratungsangebote wie die des Kinderschutzbunds. Es sei keine Schande, sich einmal einen Rat zu holen, sagt sie in Richtung der Eltern. „Erziehung ist ein Prozess. Da gibt es kein richtig oder falsch.“Eltern, die Wert auf die Meinung ihrer Kinder legen, gibt Crestani einen Tipp: „Unterhalten Sie sich mit ihrem Kind viel über die Dinge des Lebens und hören Sie gut hin. Dann entwickeln Sie ein Gespür für die Sicht des Kindes.“O
Beratungstelefon Infos und Beratung rund ums Kind gibt es am Familientelefon KAI, 0821/45540623.