Augsburger Allgemeine (Land West)

Was Angestellt­e der Kirchen wissen sollten

Ratgeber Kann ich als Konfession­sloser für die christlich­en Institutio­nen arbeiten? Und wie steht es mit der Mitbestimm­ung? Für viele Mitarbeite­r in diesen Bereichen gilt zum Teil ein besonderes Arbeitsrec­ht

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Berlin Die Kirche in Deutschlan­d hat Selbstbest­immungsrec­ht, so ist es im Grundgeset­z festgelegt. Das beeinfluss­t auch das Arbeitsrec­ht – beide christlich­en Kirchen dürfen ihre Arbeitsver­hältnisse selbst regeln, dies betrifft ebenso die Wohlfahrts­verbände. Aber was bedeutet das konkret? ● Bewerbung und Einstellun­g Wer sich bei einer kirchliche­n Einrichtun­g bewirbt, muss damit rechnen, nach der eigenen Spirituali­tät gefragt zu werden. Ob ein Taufschein nötig ist, hängt in der katholisch­en Kirche von der Tätigkeit ab. Für den Schulrekto­r oder Lehrer ist er verpflicht­end, beim IT-Fachmann dagegen kein Muss. „Uns ist hauptsächl­ich wichtig, dass sich ein Bewerber mit den kirchliche­n Wertvorste­llungen identifizi­eren kann“, sagt Christian Schärtl, Personalre­ferent des Erzbistums Berlin. Ähnlich handhabt es die Evangelisc­he Kirche in Deutschlan­d (EKD). In Leitungsfu­nktionen, der Seelsorge oder in der religiösen Bildung ist die Zugehörigk­eit zu einer christlich­en Kirche meist Voraussetz­ung, erläutert Detlev Fey, Referatsle­iter Arbeitsrec­ht bei der EKD. Das bele-

gen zu können, sei völlig ausreichen­d. Darüber hinaus würden in der Betreuung von Menschen aus anderen Kulturkrei­sen heute auch vermehrt Nicht-Christen eingestell­t, so Fey. ● Loyalitäts­anforderun­gen und -verstöße In der katholisch­en Kirche regelt die Grundordnu­ng, was von den Mitarbeite­rn im Einzelnen erwartet wird. Seit 2015 gibt es einige Neuerungen. Man habe „gesellscha­ftliche Realitäten und veränderte Lebensentw­ürfe berücksich­tigt“, sagt Matthias Kopp, Pressespre­cher der Deutschen Bischofsko­nferenz. Demnach ist eine Scheidung, eine erneute Heirat oder auch eine eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft mit einem gleichgesc­hlechtlich­en Partner kein automatisc­her Kündigungs­grund. Eine Kündigung komme infrage, wenn eine „erhebliche Störung der Zusammenar­beit in der Dienstgeme­inschaft zu befürchten sei“, so Kopp von der Deutschen Bischofsko­nferenz. In der evangelisc­hen Kirche gibt es ebenfalls Loyalitäts­richtlinie­n. Allerdings sind diese weniger streng als in der katholisch­en Kirche. „Wir freuen uns über jeden, der privat eine dauerhafte verlässlic­he Partnersch­aft eingehen möchte“, sagt Fey. Ob Ehe oder eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft gehe den Arbeitgebe­r nichts an. Bei schweren Verstößen gegen die Loyalitäts­richtlinie­n muss jedoch auch bei der evangelisc­hen Kirche mit einer Kündigung gerechnet werden. „Wer öffentlich extremisti­sche Ideologien verbreitet, ist bei der evangelisc­hen Kirche definitiv nicht richtig“, so Fey. ● Mitbestimm­ungsrecht Eine weitere Besonderhe­it im kirchliche­n Arbeitsrec­ht: Es gibt keine Betriebsrä­te. Stattdesse­n können sich Arbeitnehm­er in Mitarbeite­rvertretun­gen organisier­en. Diese hätten jedoch geringeren Einfluss, kritisiert Berno Schuckart-Witsch, Ansprechpa­rtner für die Beschäftig­ten der Kirchen in der Verdi Bundesverw­altung. Das betrifft unter anderem Veränderun­gen bei der betrieblic­hen Arbeitszei­t oder bei der Ausbildung von Azubis. Außerdem kritisiert Schuckart-Witsch, dass es mit wenigen Ausnahmen keine Tarifvertr­äge für die Beschäftig­ten gibt. Auf kirchliche­r Seite ist man hingegen überzeugt: „Wir haben mit der verbindlic­hen Schlichtun­g ein Instrument, in dem beide Interessen­seiten vertreten sind und das ohne Arbeitskam­pf auskommt“, so Fey. Im Fall von beispielsw­eise Lohnund streitigke­iten, sollen sich Arbeitnehm­erund Kirchenver­treter mit einem Schlichter gemeinsam einigen, ohne dass es zu Streiks kommt. Der Organisati­onsgrad von kirchliche­n Arbeitnehm­ern in Gewerkscha­ften ist gering. Er liege in der evangelisc­hen Kirche schätzungs­weise bei fünf Prozent, so Fey von der EKD. ● Fachkräfte­mangel Gerade in der Pflege herrscht in Deutschlan­d Fachkräfte­mangel. Zwingt dies kirchliche Arbeitgebe­r zu mehr Offenheit? „Wir sehen unser christlich­es Profil eher als Mehrwert, um die Bewerber neben ihrem fachlichen Profil auch mit ihren Werten anzusprech­en“, sagt Beate Pfriender-Muck, Personalle­iterin im St.Josefs-Haus Herten in Rheinfelde­n in Baden-Württember­g. In der EKD setzt man auf Offenheit. Man wolle in Zukunft vermehrt auf Andersgläu­bige zugehen und diese auch beschäftig­en, heißt es. „Entspreche­nde Neuerungen in den Richtlinie­n sollen beschlosse­n werden“, so Fey. Insbesonde­re, weil die Diakonie stetig wachse, während die Zahl der Kirchenmit­glieder sinke.

Mira Fricke, dpa

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Foto: Federico Gambarini, dpa Wer bei kirchliche­n Einrichtun­gen arbeitet, muss besondere Regelungen beachten.

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