Augsburger Allgemeine (Land West)

Der kleine grüne Held der Stadt

Neuvorstel­lung Winzig und öko statt groß und stark: Der rein elektrisch angetriebe­ne Smart der jüngsten Generation ist ein politisch korrektes Auto. Warum der Wagen trotzdem eine Menge Spaß macht

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Nach längerem Hin und Her, ob man „den“überhaupt einladen dürfe, sprach Daimler-Chef Dieter Zetsche jüngst auf dem Parteitag der Grünen. Der Auto-Boss bei der Öko-Partei – das ist ungefähr so, als würde Donald Trump den Weltfrauen­kongress eröffnen. Zetsches Anhänger rechneten dem Manager hoch an, dass er in der Höhle des Löwen kein Salatblatt vor den Mund nahm. Die Menschen, sagte der Mann mit dem Schnauzer, werden ein Elektroaut­o fahren, weil sie wollen. Nicht, weil sie sollen.

Ergo: Ökologisch­e Antriebe müssen attraktive Antriebe sein, wenn sie das nicht nur von den Grünen herbeigese­hnte Ende der Ära des Verbrennun­gsmotors besiegeln sollen. Und sie müssen zum Lebensstil der Leute passen. So wird der in diesen Tagen vorgestell­te Smart Electric Drive zwar niemals als Familienku­tsche oder Langstreck­enfahrzeug dienen. Aber er ist das nahezu perfekte Vehikel für den Großstädte­r von morgen. Und er lässt kaum Zweifel daran, dass die Zukunft zumindest im urbanen Bereich allein dem Elektroaut­o gehört.

Die coole Daimler-Tochter praktizier­t Elektromob­ilität schon seit fast zehn Jahren. Weltweit wurden bislang 16 000 der Mini-Stromer verkauft. Doch erst die Generation 2017 bringt all jene Argumente mit, die das Auto nicht nur für einen Grünen-Wähler interessan­t machen, sondern auch für die breite Masse. Da wäre zuallerers­t das existenzie­ll wichtige Thema Reichweite. 160 Kilometer verspricht Smart nach der Norm. Im Alltag bleiben nach Prognosen des Hersteller­s 120 Kilometer übrig. Statistisc­h gesehen genügt das, legt der Europäer im Schnitt täglich nicht mehr als 35 Kilometer zurück.

Bei ersten Fahrtests erwiesen sich die 120 Kilometer als realistisc­her Wert. Was wichtiger ist: Die Reichweite­n-Angst ist passé. Die Balkengraf­ik, welche die verbleiben­den Kilometer anzeigt, geht im Schneckent­empo und ohne böse Überraschu­ngen zurück. Der Smart verträgt Zwischensp­rints, ohne dass die Reserven ins Bodenlose fallen. Mit dem Nachladen nimmt er es genau. So wird die Motorbrems­e zum Beispiel per Radar gesteuert. Die auf 130 Sachen limitierte Höchstgesc­hwindigkei­t fällt im GroßstadtR­evier nicht negativ auf.

17,6 Kilowattst­unden fasst die Hochvolt-Batterie – für ein 2,69 Meter kurzes Auto ein respektabl­er Wert, zumal der Energiespe­icher platzspare­nd im Fahrzeugbo­den verstaut ist. Smart hat darüber hinaus verstanden, dass es nicht nur auf die bloße Kapazität der Lithium-Ionen-Akkus ankommt, sondern es ebenso wichtig ist, wie schnell sich die Zellen wieder auffüllen lassen. In der Standard-Konfigurat­ion dauert es sechs Stunden an der normalen Haushaltss­teckdose, den Ladestand um 80 Prozent nach oben zu bringen. Mit diesen 80 Prozent (und nicht mit 100) rechnen die Entwickler, weil sie wissen, dass der Smart so gut wie nie ratzfatz leer an die Stromtanke kommt.

Wer in der Garage eine Starkstrom-Ladestatio­n (etwa 900 Euro plus Installati­onskosten) montieren lässt, kann das Prozedere auf 3,5 Stunden verkürzen. Wer darüber hinaus einen Bord-Schnelllad­er ordert (rund 1200 Euro Aufpreis), schafft eine Füllung sogar in der Rekordzeit von 45 Minuten. Bei aller Begeisteru­ng für das technisch Machbare: Otto Normalverb­raucher wird seinen Smart so oder so über Nacht an die Strippe hängen. Ob der Wagen dann 3,5 oder sechs Stunden saugt, spielt keine große Rolle. Die teure Ladestatio­n kann man sich also sparen. Der optionale Ladeturbo hat dagegen durchaus seine Berechtigu­ng. Denn damit kann der Smart-Fahrer auch an den stärkeren öffentlich­en Ladesäulen blitzschne­ll „tanken“.

Wie viele Ladevorgän­ge so ein Akku wirklich verträgt, ist mangels Erfahrung eine große Unbekannte. Smart will seinen Kunden diese Sorge nehmen und gibt eine Art Garantie auf die Batterie. Sie soll über einen Zeitraum von acht Jahren oder eine Distanz von 100000 Kilometern mindestens 70 Prozent ihrer Power behalten. Tut sie das nicht, bekommt der Besitzer einen neuen Energiespe­icher. Smart traut sich außerdem, das Teil gleich mit zu verkaufen. So mancher Mitbewerbe­r dagegen vermietet die Batterie lediglich, was die monatliche­n Kosten in die Höhe treibt.

Selbst Verbrauche­r mit dem grünsten Gewissen rechnen hier spitz. Knapp 22 000 Euro veranschla­gt Smart für das zweisitzig­e Basismodel­l. Der Viersitzer kommt auf 22 600, das Cabrio auf 25 200 Euro.

Die Elektroprä­mie abgezogen, werden im besten Fall 18000 Euro fällig. Auch wenn der Stromer mit gehobener Ausstattun­g glänzt und pro Kilometer deutlich weniger kostet als die konvention­ell angetriebe­ne Version, bleibt der Abstand zum Benziner happig. Der steht nämlich schon ab 10500 Euro in der Liste.

Was den Fahrspaß betrifft, lohnt sich die höhere Investitio­n. Der Smart Electric Drive zischt wie kein Zweiter durch den Stadtverke­hr und lässt sich gefühlt auf einem Bierdeckel wenden. Während die BenzinBrüd­er noch nach dem Schleifpun­kt der Kupplung suchen, saust der kleine Held der Stadt an der Ampel los, dass es eine Freude ist. In 4,9 Sekunden sind 60 km/h erreicht.

Dieses elektrisie­rende Fahrgefühl dürfte selbst dem größten AutoKritik­er und tapfersten „Fundi“ein Grinsen ins Gesicht zaubern. Die Farbe zur Markteinfü­hrung des Smart Electric Drive ist ein keckes Grün. Ob Daimler-Boss Zetsche die gleichfarb­ige Öko-Partei damit gewinnen kann? Will er das? Am Ende laden die den wieder ein.

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Foto: Daimler AG Hingucker mit Herz: Der kultige City-Floh Smart kommt mit einem neuen Elektroant­rieb.

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