Augsburger Allgemeine (Land West)
Der kleine grüne Held der Stadt
Neuvorstellung Winzig und öko statt groß und stark: Der rein elektrisch angetriebene Smart der jüngsten Generation ist ein politisch korrektes Auto. Warum der Wagen trotzdem eine Menge Spaß macht
Nach längerem Hin und Her, ob man „den“überhaupt einladen dürfe, sprach Daimler-Chef Dieter Zetsche jüngst auf dem Parteitag der Grünen. Der Auto-Boss bei der Öko-Partei – das ist ungefähr so, als würde Donald Trump den Weltfrauenkongress eröffnen. Zetsches Anhänger rechneten dem Manager hoch an, dass er in der Höhle des Löwen kein Salatblatt vor den Mund nahm. Die Menschen, sagte der Mann mit dem Schnauzer, werden ein Elektroauto fahren, weil sie wollen. Nicht, weil sie sollen.
Ergo: Ökologische Antriebe müssen attraktive Antriebe sein, wenn sie das nicht nur von den Grünen herbeigesehnte Ende der Ära des Verbrennungsmotors besiegeln sollen. Und sie müssen zum Lebensstil der Leute passen. So wird der in diesen Tagen vorgestellte Smart Electric Drive zwar niemals als Familienkutsche oder Langstreckenfahrzeug dienen. Aber er ist das nahezu perfekte Vehikel für den Großstädter von morgen. Und er lässt kaum Zweifel daran, dass die Zukunft zumindest im urbanen Bereich allein dem Elektroauto gehört.
Die coole Daimler-Tochter praktiziert Elektromobilität schon seit fast zehn Jahren. Weltweit wurden bislang 16 000 der Mini-Stromer verkauft. Doch erst die Generation 2017 bringt all jene Argumente mit, die das Auto nicht nur für einen Grünen-Wähler interessant machen, sondern auch für die breite Masse. Da wäre zuallererst das existenziell wichtige Thema Reichweite. 160 Kilometer verspricht Smart nach der Norm. Im Alltag bleiben nach Prognosen des Herstellers 120 Kilometer übrig. Statistisch gesehen genügt das, legt der Europäer im Schnitt täglich nicht mehr als 35 Kilometer zurück.
Bei ersten Fahrtests erwiesen sich die 120 Kilometer als realistischer Wert. Was wichtiger ist: Die Reichweiten-Angst ist passé. Die Balkengrafik, welche die verbleibenden Kilometer anzeigt, geht im Schneckentempo und ohne böse Überraschungen zurück. Der Smart verträgt Zwischensprints, ohne dass die Reserven ins Bodenlose fallen. Mit dem Nachladen nimmt er es genau. So wird die Motorbremse zum Beispiel per Radar gesteuert. Die auf 130 Sachen limitierte Höchstgeschwindigkeit fällt im GroßstadtRevier nicht negativ auf.
17,6 Kilowattstunden fasst die Hochvolt-Batterie – für ein 2,69 Meter kurzes Auto ein respektabler Wert, zumal der Energiespeicher platzsparend im Fahrzeugboden verstaut ist. Smart hat darüber hinaus verstanden, dass es nicht nur auf die bloße Kapazität der Lithium-Ionen-Akkus ankommt, sondern es ebenso wichtig ist, wie schnell sich die Zellen wieder auffüllen lassen. In der Standard-Konfiguration dauert es sechs Stunden an der normalen Haushaltssteckdose, den Ladestand um 80 Prozent nach oben zu bringen. Mit diesen 80 Prozent (und nicht mit 100) rechnen die Entwickler, weil sie wissen, dass der Smart so gut wie nie ratzfatz leer an die Stromtanke kommt.
Wer in der Garage eine Starkstrom-Ladestation (etwa 900 Euro plus Installationskosten) montieren lässt, kann das Prozedere auf 3,5 Stunden verkürzen. Wer darüber hinaus einen Bord-Schnelllader ordert (rund 1200 Euro Aufpreis), schafft eine Füllung sogar in der Rekordzeit von 45 Minuten. Bei aller Begeisterung für das technisch Machbare: Otto Normalverbraucher wird seinen Smart so oder so über Nacht an die Strippe hängen. Ob der Wagen dann 3,5 oder sechs Stunden saugt, spielt keine große Rolle. Die teure Ladestation kann man sich also sparen. Der optionale Ladeturbo hat dagegen durchaus seine Berechtigung. Denn damit kann der Smart-Fahrer auch an den stärkeren öffentlichen Ladesäulen blitzschnell „tanken“.
Wie viele Ladevorgänge so ein Akku wirklich verträgt, ist mangels Erfahrung eine große Unbekannte. Smart will seinen Kunden diese Sorge nehmen und gibt eine Art Garantie auf die Batterie. Sie soll über einen Zeitraum von acht Jahren oder eine Distanz von 100000 Kilometern mindestens 70 Prozent ihrer Power behalten. Tut sie das nicht, bekommt der Besitzer einen neuen Energiespeicher. Smart traut sich außerdem, das Teil gleich mit zu verkaufen. So mancher Mitbewerber dagegen vermietet die Batterie lediglich, was die monatlichen Kosten in die Höhe treibt.
Selbst Verbraucher mit dem grünsten Gewissen rechnen hier spitz. Knapp 22 000 Euro veranschlagt Smart für das zweisitzige Basismodell. Der Viersitzer kommt auf 22 600, das Cabrio auf 25 200 Euro.
Die Elektroprämie abgezogen, werden im besten Fall 18000 Euro fällig. Auch wenn der Stromer mit gehobener Ausstattung glänzt und pro Kilometer deutlich weniger kostet als die konventionell angetriebene Version, bleibt der Abstand zum Benziner happig. Der steht nämlich schon ab 10500 Euro in der Liste.
Was den Fahrspaß betrifft, lohnt sich die höhere Investition. Der Smart Electric Drive zischt wie kein Zweiter durch den Stadtverkehr und lässt sich gefühlt auf einem Bierdeckel wenden. Während die BenzinBrüder noch nach dem Schleifpunkt der Kupplung suchen, saust der kleine Held der Stadt an der Ampel los, dass es eine Freude ist. In 4,9 Sekunden sind 60 km/h erreicht.
Dieses elektrisierende Fahrgefühl dürfte selbst dem größten AutoKritiker und tapfersten „Fundi“ein Grinsen ins Gesicht zaubern. Die Farbe zur Markteinführung des Smart Electric Drive ist ein keckes Grün. Ob Daimler-Boss Zetsche die gleichfarbige Öko-Partei damit gewinnen kann? Will er das? Am Ende laden die den wieder ein.