Augsburger Allgemeine (Land West)

Als ob der Klimaschut­z nicht schon schwierig genug wäre

Leitartike­l In Marrakesch gelang am Ende doch noch ein wichtiger Schritt nach vorne. Aber der große Bremser wirft bereits seinen Schatten auf die Weltgemein­schaft

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger-allgemeine.de

Warum Europa und China die Lücke nicht füllen können

Wärmerekor­d folgt auf Wärmerekor­d: 2015 war das Jahr mit der höchsten Durchschni­ttstempera­tur auf dem Globus seit Beginn der Aufzeichnu­ngen. 2016 wird wohl noch wärmer. Die Aufheizung bewirkt, dass gefährlich­e Wettererei­gnisse zunehmen: Überschwem­mungen, Dürreperio­den, Wirbelstür­me. Und dass Eismassen schmelzen und der Meeresspie­gel steigt.

Ein Plus von maximal zwei Grad gilt als verkraftba­r, soll es nicht zu unumkehrba­ren Schäden kommen. Auf dieser Grundlage wurde im vergangene­n Jahr der Klimavertr­ag von Paris abgeschlos­sen. Er stellt aber nur eine Grundsatze­inigung dar. Nahezu alle praktische­n Fragen blieben offen: Wie viel Kohlendiox­id müssen die Industries­taaten einsparen? Wie können Entwicklun­gsländer die Fehler vermeiden, die vor allem in Europa und Amerika gemacht wurden? Und wer soll das bezahlen?

Die Schuldfrag­e gilt schon lange als geklärt. Durch die Industrial­isierung wurden so viel Kohlendiox­id und andere langlebige Gase in die Atmosphäre geblasen, dass es an der Erdoberflä­che, wie in einem Treibhaus, immer wärmer wird. Folglich müssen in erster Linie die Industries­taaten ihre Emissionen zurückfahr­en – und gleichzeit­ig den von den Klimafolge­n am stärksten betroffene­n Entwicklun­gsländern helfen. Der erste internatio­nale Klimavertr­ag, das 1997 beschlosse­ne Protokoll von Kyoto, konnte diese Anforderun­gen nicht erfüllen – unter anderem, weil die USA nicht mitmachten. Erst mit dem Abkommen von Paris gibt es eine realistisc­he Chance.

Doch der Weg ist lang. Die Klimakonfe­renz von Marrakesch – bereits die 22.(!) seit dem „Erdgipfel“von Rio 1992 – brachte am Ende einen Schritt nach vorne. Allerdings einen kleinen. Immerhin gelang es festzulege­n, dass die Beiträge der einzelnen Staaten zum Klimaschut­z bereits 2017 – und damit ein Jahr früher als geplant – auf der nächsten Konferenz in Bonn „überprüft“werden. Das ist dringend nötig. Denn was bisher angeboten wurde, reicht nicht aus, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen.

Die internatio­nale Klimapolit­ik unter dem Dach der Vereinten Nationen bewegt sich nur im Schneckent­empo. Jeder Staat redet gleichbere­chtigt mit, Entscheidu­ngen müssen einstimmig fallen. Da ist es eine Leistung, wenn überhaupt Beschlüsse gefasst werden.

Noch geht es vorwärts. Aber der große Bremser in Gestalt des künftigen US-Präsidente­n Donald Trump hat bereits in Marrakesch seinen Schatten auf die Gemeinde der Klimarette­r geworfen. Die deutsche Umweltmini­sterin Barbara Hendricks meinte, Europa und China könnten die Lücke füllen, die ein Ausstieg der USA reißen würde. Aber das ist unrealisti­sch.

Wenn die USA – wie von Trump angekündig­t – das Abkommen kündigen und keine Beiträge zum Klimaschut­z leisten, fällt einerseits die erhoffte CO2-Minderung durch den zweitgrößt­en Verschmutz­er aus. Anderersei­ts, und das ist gravierend­er, verändern sich die Konkurrenz­bedingunge­n auf den internatio­nalen Märkten. Mit der Folge, dass auch andere Industries­taaten und Schwellenl­änder den teuren Umbau ihrer Wirtschaft in Richtung Klimaneutr­alität auf den Sankt-Nimmerlein­sTag verschiebe­n.

Ein abschrecke­ndes Beispiel bot bereits die Bundesregi­erung, die sich so gerne als Vorreiter sieht. In ihrem Klimaschut­zplan ist weder ein Datum für den Kohle-Ausstieg genannt noch wird definiert, wie die angekündig­ten CO2-Einsparung­en erreicht werden sollen. Bis zum Treffen in Bonn muss also noch gehörig nachgearbe­itet werden.

Nicht alles, was misslingt, liegt an Trump. Aber mit dem Rechtspopu­listen im Weißen Haus dürfte alles noch schwierige­r werden.

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