Augsburger Allgemeine (Land West)
VW-Chef kritisiert Kunden
Industrie In einem Interview holt Matthias Müller zum Rundumschlag aus – und wirft Autokäufern bei der E-Mobilität Inkonsequenz vor
Wolfsburg VW-Chef Matthias Müller hat in einem Interview Vorwürfe gegen die Branche zurückgewiesen, sie habe sich zu spät auf das Thema Elektromobilität konzentriert: „Die Autoindustrie hat da nichts verschlafen“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Am Angebot mangelt es nicht, sondern an der Nachfrage.“Denn die Autofahrer in Deutschland verhalten sich nach Ansicht des VW-Chefs inkonsequent. „Auf der einen Seite denken und handeln viele Deutsche im Alltag grün, wenn es aber um E-Mobilität geht, haben wir als Verbraucher spitze Finger. So ganz habe ich dieses paradoxe Phänomen noch nicht verstanden.“
Müller zeigte sich aber zuversichtlich, dass schon in wenigen Jahren deutlich mehr E-Autos gekauft werden. „Die Preise werden sinken, die Reichweite steigt, die Ladezeit wird kürzer – all die Punkte, die den Erfolg der E-Mobilität bisher behindert haben.“Er kündigte zudem „perspektivisch“den Bau einer eigenen Batteriefabrik an. „Wenn mehr als ein Viertel unserer Autos in absehbarer Zeit Elektrofahrzeuge sein werden, dann brauchen wir schätzungsweise drei Millionen Batterien im Jahr: Da ist es sinnvoll, selbst eine Fabrik zu haben.“
Müller hat im Gespräch mit der FAS außerdem den Abbau von zehntausenden Stellen im Volkswagen-Konzern verteidigt. Seiner Meinung nach hat das Unternehmen, insbesondere die Marke VW, „Fett angesetzt“in den Erfolgsjahren. „Deshalb braucht es eine Schlankheitskur.“Vorstand und Betriebsrat hatten sich auf einen sozialverträglichen Abbau ohne betriebsbedingte Kündigungen geeinigt. Weltweit sollen 30 000 Stellen gestrichen werden, davon bis zu 23000 in Deutschland. Da auch 9000 neue Jobs entstehen sollen, geht es unter dem Strich um 14000 Arbeitsplätze, die wegfallen.
Nach Ansicht von Experten könne der Umbau in der deutschen Automobilindustrie hin zu mehr Elektromobilität auch bei anderen Unternehmen zehntausende Jobs kosten. „Bei den Zulieferern sind mehr als 75 000 Jobs in Gefahr“, allein 20 000 davon durch den Radikalumbau bei VW, sagte der Duisburger Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer der Bild am Sonntag. Auch bei Daimler bliebe laut Betriebsratschef Michael Brecht ohne Ausgleich „von heute sieben Arbeitsplätzen in der Motoren- und Aggregatefertigung nur einer“übrig.
VW-Chef Müller wehrte sich im FAS-Interview auch erneut gegen Kritik, dass der Konzern Autobesitzer in Europa im Zuge des Dieselskandals nicht entschädige – anders als in den USA. Die Situation könne man „nicht über einen Kamm scheren“, sagte er. „Den Kunden in Europa entsteht ja kein Nachteil, weder beim Verbrauch noch bei den Fahreigenschaften.“„Emotional“könne er den Ärger von Kunden aber nachvollziehen.
Auch bei Zulieferern sind tausende Jobs gefährdet