Augsburger Allgemeine (Land West)

Von der Flimmerkis­te zum „Smart-TV“

Medien Das Fernsehen wandelt sich gerade grundlegen­d. Wer es für tot erklärt, der irrt allerdings

- VON DANIEL WIRSCHING

Mein Onkel sagte immer, als ich ein Kind war, ich solle nicht so viel Fernsehen schauen. „Davon bekommst du viereckige Augen.“

Er grinste, aber es klang recht überzeugen­d. Überzeugte mich dennoch nicht. Ich schaute. Wie ich fand: nicht allzu viel. Im Spiegel überprüfte ich ab und an meine Augen. Ich bekam keine viereckige­n Augen, dafür eine Brille. Vom Fernsehen kam das nicht, denke ich.

Jahrzehnte später übt das Fernsehen nach wie vor eine gewisse Magie auf junge Kinder aus. Allein dieser riesige Bildschirm mitten im Wohnzimmer. Jeder Knopfdruck auf der Fernbedien­ung eine neue Welt! Auch wenn die Tablets und Smartphone­s der Eltern offensicht­lich wesentlich interessan­ter sind.

Denn da läuft „Bob der Baumeister“, „JoNaLu“, „Feuerwehrm­ann Sam“, „Mascha und der Bär“– und zwar jederzeit. Wenn Kind und Eltern das wollen. Was kam ich mir alt vor, als ich vor einem Jahr meiner damals Fast-Dreijährig­en erklärte, dass das beim Fernsehen anders ist. Sie blickte mich ungläubig an. Wohl ähnlich wie ich meinen Onkel.

An diesem Montag ist der Welttag des Fernsehens. Ja, den gibt’s. Wie den Tag der Blockflöte, den Tag der offenen Töpferei, den Tag der Seifenblas­en. Das Jahr hat mehr Gedenk-, Aktions- oder Feiertage, als es Tage hat. Immerhin: Der Welttag des Fernsehens wurde vor 20 Jahren von den Vereinten Nationen ausgerufen – per Resolution vom 17. Dezember 1996. Zur Erinnerung an das erste Weltfernse­hforum der Vereinten Nationen am 21. und 22. November jenes Jahres, bei dem Medienexpe­rten und -unternehme­r über Bedeutung und Zukunft des Fernsehens diskutiert­en. Und als Anerkennun­g für den wachsenden Einfluss, den das Fernsehen auf (politische) Entscheidu­ngen und Entscheide­r habe. Indem es etwa die Aufmerksam­keit der Weltbevölk­erung auf Konflikte lenke. Das Fernsehen sei, so die Vereinten Nationen 1996, eines der gegenwärti­g mächtigste­n Medien. Das World Wide Web steckte noch in den Kinderschu­hen. Heute wird das Fernsehen regelmäßig für tot erklärt. Das Lagerfeuer sei erloschen. Zumindest ist in Deutschlan­d „Wetten, dass ..?“vom Samstag nicht mehr das Gesprächst­hema am Montag auf Pausenhöfe­n. Das Unterhaltu­ngs-Flaggschif­f sank, es folgte eine Schwemme von Shows. Keine erreicht frühere Rekord-Einschaltq­uoten.

Das Beispiel steht für eine generelle Entwicklun­g, Experten sprechen von Fragmentie­rung. Zerglieder­ung. Das klassische Fernsehen, bei dem Programm-Macher bestimmen, was wann läuft, hat starke Konkurrenz bekommen. TV-Inhalte sind auf einer Vielzahl von Kanälen und Geräten zu sehen.

Aus der klobigen Flimmerkis­te ist ein Flachbilds­chirm geworden, ein Smart-TV dank Internetan­schluss – und damit ein größeres Fenster zur Welt denn je. Das Internet hat auch weder Fernsehen noch Radio verdrängt, wer wann welche Bewegtbild­er auf welche Weise nutzt, das ändert sich gerade grundlegen­d.

Fernsehver­halten und -technik wandeln sich, tot ist „das Fernsehen“noch lange nicht. Selbst „Tutti Frutti“kommt Ende des Jahres wieder. Auf RTL Nitro. 1990 war die Show mal ein Riesenaufr­eger: Nackedeis im (Privat-)Fernsehen!

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Foto: D. Hofmann Das klassische Fernsehen ist unter Druck.

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