Augsburger Allgemeine (Land West)
Von der Flimmerkiste zum „Smart-TV“
Medien Das Fernsehen wandelt sich gerade grundlegend. Wer es für tot erklärt, der irrt allerdings
Mein Onkel sagte immer, als ich ein Kind war, ich solle nicht so viel Fernsehen schauen. „Davon bekommst du viereckige Augen.“
Er grinste, aber es klang recht überzeugend. Überzeugte mich dennoch nicht. Ich schaute. Wie ich fand: nicht allzu viel. Im Spiegel überprüfte ich ab und an meine Augen. Ich bekam keine viereckigen Augen, dafür eine Brille. Vom Fernsehen kam das nicht, denke ich.
Jahrzehnte später übt das Fernsehen nach wie vor eine gewisse Magie auf junge Kinder aus. Allein dieser riesige Bildschirm mitten im Wohnzimmer. Jeder Knopfdruck auf der Fernbedienung eine neue Welt! Auch wenn die Tablets und Smartphones der Eltern offensichtlich wesentlich interessanter sind.
Denn da läuft „Bob der Baumeister“, „JoNaLu“, „Feuerwehrmann Sam“, „Mascha und der Bär“– und zwar jederzeit. Wenn Kind und Eltern das wollen. Was kam ich mir alt vor, als ich vor einem Jahr meiner damals Fast-Dreijährigen erklärte, dass das beim Fernsehen anders ist. Sie blickte mich ungläubig an. Wohl ähnlich wie ich meinen Onkel.
An diesem Montag ist der Welttag des Fernsehens. Ja, den gibt’s. Wie den Tag der Blockflöte, den Tag der offenen Töpferei, den Tag der Seifenblasen. Das Jahr hat mehr Gedenk-, Aktions- oder Feiertage, als es Tage hat. Immerhin: Der Welttag des Fernsehens wurde vor 20 Jahren von den Vereinten Nationen ausgerufen – per Resolution vom 17. Dezember 1996. Zur Erinnerung an das erste Weltfernsehforum der Vereinten Nationen am 21. und 22. November jenes Jahres, bei dem Medienexperten und -unternehmer über Bedeutung und Zukunft des Fernsehens diskutierten. Und als Anerkennung für den wachsenden Einfluss, den das Fernsehen auf (politische) Entscheidungen und Entscheider habe. Indem es etwa die Aufmerksamkeit der Weltbevölkerung auf Konflikte lenke. Das Fernsehen sei, so die Vereinten Nationen 1996, eines der gegenwärtig mächtigsten Medien. Das World Wide Web steckte noch in den Kinderschuhen. Heute wird das Fernsehen regelmäßig für tot erklärt. Das Lagerfeuer sei erloschen. Zumindest ist in Deutschland „Wetten, dass ..?“vom Samstag nicht mehr das Gesprächsthema am Montag auf Pausenhöfen. Das Unterhaltungs-Flaggschiff sank, es folgte eine Schwemme von Shows. Keine erreicht frühere Rekord-Einschaltquoten.
Das Beispiel steht für eine generelle Entwicklung, Experten sprechen von Fragmentierung. Zergliederung. Das klassische Fernsehen, bei dem Programm-Macher bestimmen, was wann läuft, hat starke Konkurrenz bekommen. TV-Inhalte sind auf einer Vielzahl von Kanälen und Geräten zu sehen.
Aus der klobigen Flimmerkiste ist ein Flachbildschirm geworden, ein Smart-TV dank Internetanschluss – und damit ein größeres Fenster zur Welt denn je. Das Internet hat auch weder Fernsehen noch Radio verdrängt, wer wann welche Bewegtbilder auf welche Weise nutzt, das ändert sich gerade grundlegend.
Fernsehverhalten und -technik wandeln sich, tot ist „das Fernsehen“noch lange nicht. Selbst „Tutti Frutti“kommt Ende des Jahres wieder. Auf RTL Nitro. 1990 war die Show mal ein Riesenaufreger: Nackedeis im (Privat-)Fernsehen!