Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Rolltreppe zur Macht
USA Tag für Tag stehen potenzielle Minister und andere, die etwas werden wollen, Schlange beim künftigen Präsidenten. Doch Donald Trump macht weiterhin sein eigenes Ding
New York Wer wissen will, wie Donald Trump die USA gestalten möchte, darf sich jetzt ein zweieinhalb Minuten langes Video ansehen. Amerikas künftiger Präsident, er bleibt sich treu. Amerika zuerst, Jobs sind das Wichtigste, die Botschaften setze ich, Fragen: keine. Der designierte Präsident bevorzugt den Monolog.
Bisher gewählte US-Präsidenten waren in der Besetzung ihres Kabinetts auch nicht schneller, im Gegenteil. Aber der große Unterschied zu Barack Obama, Bush senior und junior, zu Bill Clinton oder Ronald Reagan: Sie haben sich nach der Wahl einer Auseinandersetzung zu Inhalten und Positionen gestellt. Sie waren nicht nur als Inszenierung sichtbar, und sie saßen nicht weit oben abgeschottet in einem Turm über New York. Trump hat seit Monaten keine echte Pressekonferenz gegeben. Von den wenigen Er- nannten seines Kabinetts selbst ist bis auf dürre Statements, in denen sie die angebotenen Posten bejahen, nichts zu hören. Stattdessen schaut Amerika zu, wie Trump seit Tagen die Parade potenzieller Kandidaten abnimmt. Das hat etwas Monar- chisches. Doch während Journalisten den Überraschungssieger der Wahl noch kritisieren, steigen dessen Zustimmungswerte in der Bevölkerung: 46 Prozent sagen in einer Umfrage des Portals Politico, sie hätten inzwischen eine ganz oder überwiegend zustimmende Ansicht zu Trump. Das sind neun Punkte mehr als am Wahltag.
Seine erste Videobotschaft als kommender Präsident ist das, was man präsidial nennt. Nur mit dem Fernseher gibt es eben keinen Dialog. Rückfragen sind offenbar nicht gewollt. Und vielleicht ist für die Fernsehzuschauer in den USA das prozessionsartige Kommen und Gehen rund um den Gewählten sowieso unterhaltsamer. Es geht zu wie auf einer Showtreppe. Da wird Gouverneur Chris Christie auf die Schulter geklopft, Ex-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney plötzlich über den grünen Klee gelobt, ExBürgermeister Rudy Giuliani weiter als Top-Kandidat hochgehalten, zuletzt als Amerikas oberster Geheimdienstler. Und auch Ex-Gouverneur Rick Perry darf sich kurz im Scheinwerferlicht sonnen.
Trump strahlt, deutet mit dem Finger, reckt den Daumen, Aspiranten leuchten glücklich. Man kann sogar einen Livestream aus dem Trump Tower verfolgen. In polierten Fahrstuhltüren spiegeln sich Fotografen. Menschen kommen, Menschen gehen. Das goldene, spektakuläre Nichts. Den ganzen Tag.
Abgesehen davon, dass längst nicht jeder den Trump Tower durch die Vordertür betritt, lässt diese In- szenierung allen möglichen Spekulationen freien Raum. Daran ändert auch das Video nicht viel. Denn zu allem, was wirklich brisant ist, sagt Trump eben nichts.
Will seine Regierung Waterboarding als Foltermethode wieder zulassen? Bezweifelt der künftige mächtigste Mann der Welt wirklich, dass das syrische Regime die eigene Bevölkerung mit Giftgas attackiert hat? Gravierende Fragen, zu denen man gerne mehr wüsste, sie mit der Rechtslage vergleichen möchte und mit internationalen Einschätzungen. Aber dafür bräuchte es Positionen. Oder Antworten.
Trump selbst bleibt auf Twitter offenkundig auch als künftiger Präsident seinem Verhalten als Wahlkämpfer treu. Selbst über seine Treffen mit Kandidaten twittert er selbst – sozusagen parallel zum Fernsehen. Sicherheitshalber. „Wenn Trump etwas im Privaten tut, was nicht in irgendeiner Weise öffentlich wird, existiert es für ihn nicht“, schreibt die Washington Post. Deswegen mache er auch keinerlei Unterschied zwischen privat und öffentlich. Im Ergebnis könne Trump so über eine unendliche Menge an Material verfügen: für seine größte Performance aller Zeiten. In der Nacht zum Dienstag hat er also ein Video hinzugefügt, nun kann es gedeutet werden.
Und dann auch noch das: Trump bestätigt, dass er keine weiteren Ermittlungen gegen Hillary Clinton vorantreiben will. „Ich will die Clintons nicht verletzen. Das will ich wirklich nicht“, sagte Trump am Dienstag. „Sie hat viel durchgemacht und auf sehr unterschiedliche Weise stark gelitten“, fügte er noch hinzu.