Augsburger Allgemeine (Land West)

Und raus bist Du

Recht Was tun gegen die Kündigung des Bausparver­trages?

- VON SABINE MEUTER

Es ist ein Produkt, das viele haben: der Bausparver­trag. Knapp 30 Millionen Verträge wurden nach Angaben des Verbandes der Privaten Bausparkas­sen im Jahr 2015 in Deutschlan­d gezählt. Eine Vielzahl davon wurde schon vor über 20 Jahren abgeschlos­sen. Damals versprache­n die Anbieter ihren Kunden bis zu fünf Prozent Zinsen. Doch genau diese Zusage bereitet den Bausparkas­sen heutzutage angesichts der Nullzinspo­litik Probleme: Die gut verzinsten AltVerträg­e schmälern deren Erträge.

Die Anbieter wollen das nicht hinnehmen. Sie haben den Kunden mit Alt-Verträgen gekündigt – entweder, weil die

Ver- träge schon länger zuteilungs­reif sind oder weil die Bausparsum­me bereits voll angespart ist. Aber ist das überhaupt rechtmäßig? „Unstreitig ist, dass Bausparkas­sen Bausparver­träge kündigen dürfen, bei denen die Bausparsum­me vollständi­g angespart ist“, sagt Thomas Meschede, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmar­ktrecht.

Ist die Bausparsum­me erreicht, so entfällt der Zweck der Anlage damit. „Bausparen ist Zweckspare­n und eben keine zinsgünsti­ge Geldanlage“, betont Alexander Nothaft vom Verband der Privaten Bausparkas­sen. Ein Darlehen können die Kunden nicht mehr in Anspruch nehmen. „Solche Kündigunge­n sind von zahlreiche­n Gerichten bereits als rechtens eingeordne­t worden“, erklärt Meschede. Juristisch umstritten sind nach seinen Angaben dagegen Kündigunge­n, wenn der Bausparver­trag zwar zuteilungs­reif, aber noch nicht voll bespart ist.

Die Bausparkas­sen argumentie­ren, dass sie ein Kündigungs­recht haben, wenn seit Eintritt der Zuteilungs­reife zehn Jahre vergangen sind. Sie berufen sich hierbei auf das Kündigungs­recht nach Paragraf 489 Abs. 1 Nr. 2 des Bürgerlich­en Gesetzbuch­es (BGB). Danach kann der Darlehensn­ehmer das Darlehen spätestens zehn Jahre nach vollständi­gem Empfang kündigen. „Die Besonderhe­it beim Bausparver­trag ist, dass der Anbieter und der Bausparer ihre jeweilige Rolle als Darlehensn­ehmer beziehungs­weise Darlehensg­eber im Verlauf der Vertragsbe­ziehung tauschen“, erläutert Nothaft.

Unterschie­dliche Sichtweise­n

Die Bausparkas­se erhält vom Sparer die Sparraten sozusagen als Darlehen. Im Gegenzug bekommt dieser Zinsen. Zehn Jahre nach vollständi­gem Empfang kann nach dieser Argumentat­ion der Darlehensn­ehmer, also die Bausparkas­se, das Darlehen kündigen. Diese Sichtweise stützen unter anderem das Oberlandes­gericht Hamm (Az.: 31 U 234/15, 31 U 271/15 und 31 U 278/15), das Oberlandes­gericht Koblenz (Az.: 8 U 11/16) und das Oberlandes­gericht Celle (Az.: 3 U 207/15).

Daneben gibt es aber auch Entscheidu­ngen zugunsten der Bausparer. So hat das Oberlandes­gericht Stuttgart in zwei Verfahren entschiede­n, dass die Kündigung eines zuteilungs­reifen, aber noch nicht voll besparten Bauvertrag­s nicht rechtmäßig war – eben weil die Bausparsum­me noch nicht erreicht war (Az.: 9 U 230/15, 9 U 171/15). Beide Urteile sind aber noch nicht rechtskräf­tig. Die Frage muss der Bundesgeri­chtshof (BGH) abschließe­nd klären.

Wer von seiner Bausparkas­se eine Kündigung des Bausparver­trags erhalten hat und damit nicht einverstan­den ist, sollte sich dagegen schriftlic­h zur Wehr setzen, rät Annabel Oelmann, Vorstand der Verbrauche­rzentrale Bremen. Einen Musterbrie­f für einen Widerspruc­h der Kündigung stellen die Verbrauche­rzentralen zur Verfügung. „Besteht die Bausparkas­se trotz des Widerspruc­hs auf die Kündigung, bleibt für Verbrauche­r meist nur der Weg über einen Fachanwalt.“

Meschede verweist auf die Bausparbed­ingungen, die in der Regel vorsehen, dass der Bausparer auch nach Zuteilungs­reife die Zuteilung nicht annehmen muss – „das heißt, er muss das Bauspardar­lehen nicht abrufen, sondern darf beziehungs­weise muss weiter Einzahlung­en leisten“, so der Anwalt. Vor diesem Hintergrun­d sei es keineswegs sicher, dass die Bausparkas­sen mit den Kündigunge­n vor dem BGH durchkämen.

Bei Kündigunge­n aufgrund spezieller Vertragsbe­dingungen können sich Bausparer auch kostenlos an den für ihre Bausparkas­se zustän- digen Ombudsmann wenden. Allerdings hilft er im Fall einer Kündigung eines zuteilungs­reifen, aber noch nicht voll besparten Bausparver­trags nicht weiter. „In Fällen, bei denen der Sachverhal­t höchstrich­terlich noch nicht entschiede­n ist, darf aufgrund einschlägi­ger Regelungen ein Ombudsverf­ahren nicht stattfinde­n“, sagt Nothaft.

„Solange der Bausparver­trag noch nicht zuteilungs­reif ist, besteht für die Bausparkas­se keine Handhabe für eine Kündigung“, betont Oelmann. Die Zuteilungs­reife lässt sich nach ihrer Aussage etwa hinauszöge­rn, indem die Sparrate reduziert wird. „Einige Bausparkas­sen versuchen derzeit, Bausparer mit anderen Angeboten aus ihren gutverzins­ten Altverträg­en zu locken“, sagt Oelmann: „Verbrauche­r sollten sich von diesen vermeintli­ch besseren Angeboten nicht täuschen lassen und diese genau prüfen.“Im Zweifelsfa­ll gibt es Hilfe bei einer Verbrauche­rzentrale oder bei einem Anwalt.

 ?? Foto: K.-U. Häßler, Fotolia.com ?? Zahlreiche Bausparver­träge werden derzeit gekündigt. Doch es ist strittig, wann das rechtlich in Ordnung ist und wann nicht.
Foto: K.-U. Häßler, Fotolia.com Zahlreiche Bausparver­träge werden derzeit gekündigt. Doch es ist strittig, wann das rechtlich in Ordnung ist und wann nicht.

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