Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Storchen Kran

Artenschut­z Das Stahlgeste­ll ist zum Risiko geworden und musste abgebaut werden. Die Störche bekommen nun einen neuen Standort auf dem Kirchheime­r Firmengelä­nde. Spannend ist, ob sie ihn im Frühjahr besiedeln

- VON DOROTHEA SCHUSTER

Der alte, rostige Kran liegt in Teile zerlegt im Hof der Holzbaufir­ma unterhalb von Kirchheim (Unterallgä­u). Bis Mitte Oktober hatten ihn neun Storchenpa­are bewohnt. Es war die erste Kolonie in der Region. Immer wieder blieben Leute an der Schranke des Betriebs stehen, berichtet Markus Holzheu. Es gab auch die telefonisc­he Anfrage einer Allgäuer Familie, ob sie die Störche anschauen dürfe. Kirchheim hatte neben dem Fuggerschl­oss mit dem berühmten Zedernsaal eine weitere Attraktion.

Doch der Kran war mittlerwei­le so marode, dass Firmeninha­ber Holzheu das Risiko zu groß wurde. Doch wohin mit den Störchen, wenn sie Anfang März zurückkehr­en? In Gesprächen mit Vertretern des Landesbund­es für Vogelschut­z (LBV) wurden allerlei Möglichkei­ten diskutiert. Angedacht war unter anderem ein Mastenpark und eine Verteilung auf umliegende Gebäude. Doch dann hatte Holzheu die zündende Idee: Es soll einen neuen „Kran“geben – etwa 100 Meter entfernt. Dort wird ein Teil des alten am Rand des Firmengelä­ndes wieder aufgebaut. Er wird 21 Meter hoch sein. Auf zwei Ebenen (sechs Meter übereinand­er) werden acht fünf Meter lange Ausleger angebracht und darauf Nestunterl­agen aus verzinktem Stahl. Diese hat eine heimische Firma gefertigt – gegen Materialko­sten und eine Brotzeit. Ein neuntes Nest wird auf der Spitze des „Krans“angebracht.

Als das erste Paar vor zwölf Jahren kam, war Holzheus spontane Reaktion: „Ui, ein Storch!“Bald waren die ersten Jungen da. Alle waren begeistert. Er wollte den Kran eigentlich damals schon abbauen. Er war nicht mehr in Betrieb und hatte keinen TÜV. Doch nun blieb er stehen. Und zwei Jahre später kam das nächste Paar und so ging es weiter.

Holzheu hatte nicht nur Freude an seinen Störchen. Mit jedem neuen Paar wuchs auch der Dreck, den die Vögel verursacht­en. Dauernd musste der Hof gekehrt werden, der mitten auf dem Betriebsge­lände liegt. Da lagen tote Mäuse und Maulwürfe, angepickte Fische und auch immer wieder mal ein toter Jungstorch, den die Eltern aus dem Nest geworfen hatten. Die Lageristen schimpften schon mal. Die Au- tos waren vollgespri­tzt vom weißen Kot. Oft stank es wegen der toten Beutetiere. Einmal fiel bei einem Sturm ein Nest auf einen Container. Der war kaputt. Wegen des lauten Geklappers mussten auch schon mal die Fenster geschlosse­n werden.

Das alles schreckte Holzheu und seine Familie nicht. Sie wollen „ihre“Störche behalten. Wie für ein Wohnhaus wurde beim Landratsam­t ein Bauantrag gestellt. 20 Stunden dauerte der Abbau des Krans, für den extra ein Autokran gemietet worden war. Den braucht Holzheu auch für den Wiederaufb­au. In den nächsten Wochen wird das Fundament betoniert. Am Stahlgeste­ll des Krans werden Halterunge­n für die Ausleger angebracht.

Dann müssen die weit über 50 Kilogramm schweren Nester darauf montiert werden. Sie wurden von Ehrenamtli­chen storchenge­recht ausgekleid­et, sagt Josef Schlögel, Koordinato­r vom LBV. Unten wurden grobe Äste reingelegt, am Rand Weiden eingefloch­ten. Aufgefüllt wurde dann mit Hackschnit­zeln. Das Reisigmate­rial stellte die Gemeinde. Und ganz wichtig, sagt Weißstorch-Experte Anton Burnhauser: Oben drauf müssen Reste der alten Nester – wegen des Wiedererke­nnungseffe­kts. Diese wogen im Übrigen 300 bis 600 Kilo.

Dann wächst die Spannung. Nehmen die Störche ihr altes neues Quartier an? Burnhauser ist da sehr zuversicht­lich. Die „Kirchheime­r“sind sozial sehr miteinande­r verbunden und gehen sogar gemeinsam auf Futtersuch­e. Der Landesbund für Vogelschut­z hat von der Regierung von Schwaben eine artenschut­zrechtlich­e Ausnahmege­nehmigung zur Beseitigun­g der alten Nester erhalten. Außerdem fördert die Behörde die Umsiedlung über das Landschaft­spflegepro­gramm. 30 Prozent der Kosten müssen der LBV und diverse Unterstütz­er selbst aufbringen. Die Storchenbr­auerei im benachbart­en Pfaffenhau­sen leistet ihren Beitrag seit 1999 über ihr Öko-Sponsering: Von jeder Kiste „Störchle-Bier“geht ein Teil an den LBV, sagt Inhaber Hans Roth. Und finanziell im Boot ist natürlich Unternehme­r Holzheu, der sich die bayernweit einzigarti­ge Aktion einiges kosten lässt.

Die Umsiedlung einer Storchenko­lonie hat es in Bayern bislang nicht gegeben, sagt Burnhauser, der bei der Naturschut­zabteilung der Regierung von Schwaben in Augsburg tätig ist. Der Biologe weiß das Engagement der Leute im Mindeltal zu schätzen. Denn oft gibt es bei Umsiedlung­en Widerstand von Hauseigent­ümern, Bürgermeis­tern und Pfarrern – wegen des Drecks, den die Störche verursache­n. Der große Erfolg im Mindeltal, wo die Vögel mittlerwei­le wieder zum täglichen Bild gehören, ist der Teamarbeit zu verdanken.

Tote Maulwürfe und Mäuse im Hof

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Foto: Anton Burnhauser Über die Jahre bauten die Störche immer mehr Nester auf den Kran einer Holzbaufir­ma. Dohlen nisteten sich als Untermiete­r ein. Das Stahlgeste­ll war aber mittlerwei­le so ma rode, dass es zum Sicherheit­srisiko wurde und abgebaut werden musste. Nun...
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