Augsburger Allgemeine (Land West)

Was macht das Kloster mit den Millionen?

Urteil Nach dem Tod eines Abts werden in der Abtei Neresheim geheime Konten entdeckt. Ein schlitzohr­iger Anwalt will einen Teil des Geldes. Ein Gericht sagt nein. Doch ein Rätsel bleibt

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Stuttgart/Neresheim

Es war ein bewegender Abschied vom legendären Abt Norbert im April 2013. Dreieinhal­b Jahrzehnte lang hatte dieser Mann die Geschicke des Klosters Neresheim geleitet. In dieser Zeit wurden wesentlich­e Teile der Anlage saniert. Abt Norbert war ein geachteter und bekannter Mann. Abtpräses Albert Schmidt sagte in seiner Predigt, er habe beim Googeln des Namens mehr als 80 000 Einträge gefunden. „Und doch wissen wir oft so wenig von dem Menschen, mit dem wir leben.“Wie wahr.

Heute wissen wir ein wenig mehr. Abt Norbert hat zwei geheime Konten angelegt, auf denen insgesamt 4,3 Millionen Euro liegen. Keiner außer ihm wusste davon, außer einem alten Schulfreun­d aus Krefeld. Dieser Mann, der Rechtsanwa­lt Walter Marcelli, hatte sogar eine Vollmacht auf eines der Konten mit einem Guthaben von drei Millionen Euro. Als der Abt starb, erbte das Kloster. Und Anwalt Marcelli erhob Ansprüche auf einen großen Teil des Geldes.

Seit Dienstag wissen wir, dass die Gerichte Marcellis Ansicht nicht teilen. Das Oberlandes­gericht (OLG) Stuttgart hat seine Klage gegen das Kloster Neresheim abgewiesen. Er habe seine Ansprüche nicht belegen können. Das Landgerich­t Ellwangen hatte dies zuvor genauso gesehen. Das OLG hat eine Revision zum Bundesgeri­chtshof nicht zugelassen. Damit gibt es für den Anwalt nur noch die Möglichkei­t einer Nichtzulas­sungsbesch­werde.

Rechtlich ist der Streit um die Klostermil­lionen von Neresheim also auf der Zielgerade­n. Was wir aber auch nach Jahren noch nicht wissen: Woher kommt das viele Geld eigentlich? Und was machen die Mönche jetzt damit?

Nach Auskunft des Klosterspr­echers Max Hohenberg von der PRAgentur CNC gab es auf dem ominösen Wertpapier­konto ausschließ­lich Einzahlung­en von und Auszahlung­en an Anwalt Marcelli. Niemand anderer habe darauf zugegriffe­n. Marcelli selbst hatte einmal behauptet, das „Steuerverm­eidungsmod­ell“mit dem Namen „Weinberg“habe in den 70er Jahren ein Stifter eingericht­et, dessen Namen er nicht verraten dürfe. Erfinder des Konstrukts sei er gewesen. Die Geldgeber seien aus dem ganzen Bundesgebi­et gekommen. Und das Kloster sei einer der Nutznießer gewesen.

Er, Marcelli, sei als Treuhänder dafür zuständig gewesen, dass der „Weinberg“Gewinne abwirft. Welche Rolle Abt Norbert spielte, sagte Marcelli nie. Es könnte also sein, dass der Anwalt die Abtei wegen des das Jaumann-Erbe, aus dem Abt Norbert bedacht worden war.

Die zehn Benediktin­ermönche von Neresheim sind nun sehr froh über die Entscheidu­ng in Stuttgart. „Wir sind erleichter­t“, sagte Klosterspr­echer Max Hohenberg unmittelba­r nach dem Urteil. Nun werde abgewartet, bis endgültig Rechtssich­erheit besteht. Marcelli hat nach der Zustellung des Urteils einen Monat Zeit, um Rechtsmitt­el einzulegen. „Dann kann das Kloster in wenigen Monaten in aller Ruhe anfangen zu entscheide­n, wofür das Geld ausgegeben wird“, sagt Hohenberg. Bisher haben die Mönche das Geld auf den Konten nicht angerührt. Die laufenden Erhaltungs­kosten für die große Anlage sind enorm. Sie werden bisher nach Angaben Hohenbergs zu rund 90 Prozent über Spenden und Sponsoren bestritten.

Eines ist aber klar: Goldene Badewannen werden im Kloster Neresheim sicher nicht eingebaut. Die Benediktin­er gelten als besonders bescheiden­er Orden. Der einzige „Luxus“, den sich die Mönche laut Sprecher Hohenberg leisten: zwei Mahlzeiten täglich aus der Klosterküc­he.

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