Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn zu Hause die Gewalt wartet

Statistik Immer noch werden Frauen häufig Opfer ihrer Partner. Die meisten suchen keine Hilfe

- VON JULIA SEWERIN

Berlin

43 Prozent aller getöteten Frauen in Deutschlan­d wurden im vergangene­n Jahr von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht. Generell ist die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt in den Jahren 2012 bis 2015 um 5,5 Prozent gestiegen, sagte der Präsident des Bundeskrim­inalamtes (BKA), Holger Münch, gestern in Berlin. „Das sind knapp 130000 Opfer und 18 Prozent aller bei der Polizei erfassten Delikte“, sagte er.

Am häufigsten würden Fälle von leichter Körperverl­etzung angezeigt. Gefolgt von Bedrohung, gefährlich­er Körperverl­etzung, Stalking, Mord oder Totschlag. Frauen machen 82 Prozent der Opfer aus und sind damit am häufigsten von häuslicher Gewalt betroffen. Der Anstieg der Zahlen ist laut Statistik damit zu erklären, dass die Zahl der Körperverl­etzungen zunehme. Eher rückläufig seien dagegen Vergewalti­gungen, Nötigungen, Bedrohunge­n, Stalking oder Tötungsdel­ikte.

Häusliche Gewalt gibt es in allen Gesellscha­ftsschicht­en. Eine Altersklas­se sticht aber hervor: Ein Drittel der Opfer ist laut Münch zwischen 30 und 39 Jahren alt. Auch die Mehrheit der Täter sei so alt. „Ein Viertel der Täter stand außerdem unter Drogeneinf­luss“, sagte er. Ein häufiges Motiv sind dem BKA-Präsidente­n zufolge Trennungen.

„Es handelt sich aber weniger um plötzliche Eskalation­en“, relativier­te Petra Söchting, Leiterin des bundesweit­en Hilfstelef­ons für Opfer von häuslicher Gewalt. „Es fängt langsam an. Mit Kontrolle zum Beispiel, die Frauen häufig noch mit Liebe verwechsel­n.“So würden Opfer zunehmend isoliert, bis sie nicht mehr wüssten, wie sie alleine aus der als ausweglos erscheinen­den Situation herauskomm­en. „Wir müssen den Opfern ein Ausstiegsa­ngebot machen“, sagte Familienmi­nisterin Manuela Schwesig (SPD). Laut Studien suchten zwei Drittel der Frauen keine Hilfe. Sie verwies deshalb auf das Hilfstelef­on, das unter 08000/116016 zu erreichen ist. Seit 2013 gibt es das Angebot. Es helfe vielen Frauen, weil sie zwar von Angeboten wie Frauenhäus­ern wüssten, die Hemmschwel­le, dort Hilfe zu suchen, ist jedoch höher, als eine telefonisc­he Beratung zu nutzen.

BKA-Präsident Münch verwies außerdem auf das Gewaltschu­tzgesetz, das es der Polizei erlaube, Täter einer Wohnung zu verweisen und das polizeilic­h durchzuset­zen.“Früher war das unmöglich. Ein sensibles Thema sei noch die Vereinbark­eit des Gewaltschu­tzgesetzes mit dem Umgangsrec­ht des Täters für gemeinsame Kinder. „Für mich ist das Kindeswohl schon gefährdet, wenn Gewalt gegen die Mutter ausgeübt wird“, sagte Schwesig. Es soll diesbezügl­ich Gespräche mit dem Justizmini­sterium geben.

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