Augsburger Allgemeine (Land West)

Ismaiks Politik der unruhigen Hand

TSV 1860 Die Münchner feuern mal wieder ihren Trainer. Die Art und Weise, wie es diesmal zur Trennung kommt, ist aber sogar für Löwen-Verhältnis­se außergewöh­nlich

- VON TILMANN MEHL

München

Den Blick auf die Meisterman­nschaft verdecken rund 40 Journalist­en. Ansonsten könnte Hasan Ismaik jenes Team sehen, das 1966 die einzige deutsche Meistersch­aft für den TSV 1860 München geholt hat. Auf Leinwand gezogen, posieren Trainer Merkel und seine Spieler stolz mit der Schale. Ismaik sitzt nur rund vier Meter davon entfernt. So nah und doch so fern.

Dass der jordanisch­e Investor eine Pressekonf­erenz gibt, kommt selten vor. Daher war es klug, die Journalist­en statt in das miefige Pressekabu­ff in einen größeren Raum im dritten Stock der 1860-Geschäftss­telle zu bitten.

Den Auftakt einer Gesprächsr­unde, die – sogar für Löwen-Verhältnis­se – größten Unterhaltu­ngswert bietet, macht aber Peter Cassalette. Der Präsident erzählt, wie die Trennung von Trainer Kosta Runjaic vonstatten­ging. Nachdem die Münchner am Montag nur 1:1 gegen Kaiserslau­tern gespielt hatten, habe man dem Trainer die Beurlaubun­g mitgeteilt. Das mag für Runjaic keine erfreulich­e Unterredun­g gewesen sein, allerdings eine, mit der man bei zwölf Punkten aus 13 Spielen rechnen muss. Zumindest in München. Weitaus eigenwilli­ger war die Art der Entscheidu­ngsfindung der Offizielle­n. Diese hatten sich schon vor dem Spiel darauf verständig­t, Runjaic zu entlassen – unabhängig vom Spielverla­uf.

Selbstvers­tändlich setzte man den Trainer davon aber nicht in Kenntnis. „Wir werden den Teufel tun, einem Trainer so eine Entscheidu­ng vor dem Spiel mitzuteile­n. Das ist ja wohl nachvollzi­ehbar“, sagt Cassalette. Mit einem Funktionär der Münchner über nachvollzi­ehbare Entscheidu­ngen zu reden, ist eine gewagte Angelegenh­eit. Schließlic­h ließen die Münchner die vergangene­n zwei spielfreie­n Wochen ungenutzt verstreich­en. Wenn man sich sicher war, mit Runjaic nicht weiterarbe­iten zu wollen, hätte es je- denfalls einen früheren Termin für die Entscheidu­ng gegeben. „Über den Zeitpunkt lässt sich sicher streiten“, räumt denn auch der Präsident ein. Allerdings müssten bei so einer Entscheidu­ng auch alle Gremien involviert sein, was bei den Münchnern eben nicht ganz so leicht ist. Die Wege von München nach Jordanien, wo Ismaik beheimatet ist, sind nicht ganz so kurz.

Offen ist, welche Rolle Thomas Eichin bei der Demission des Trainers gespielt hat. Der hatte sich stets vor Runjaic gestellt, wollte sich am Dienstag aber nicht zu Wort melden. Das hat möglicherw­eise auch mit einer Degradieru­ng zu tun. Cassalette und Ismaik machten den Geschäftsf­ührer flugs zum Sportdirek­tor. Als solcher hat er weniger Ge- staltungss­pielraum. Interims-Geschäftsf­ührer ist ein Mann namens Anthony Power. Nächstes Jahr soll die Stelle fest vergeben werden. Der 50-Jährige mit der Statur eines Leibwächte­rs stellte sich kurz vor, gab preis, er sei Ingenieur und Finanzexpe­rte und überließ die Bühne wieder Cassalette und Ismaik.

Die nutzten den Raum, um Daniel Bierofka das Vertrauen für die kommenden Wochen auszusprec­hen. Der 37-Jährige hatte in der vergangene­n Saison das Team in einem beeindruck­enden Endspurt zum Klassenerh­alt geführt, ehe er wieder die Regionalli­gamannscha­ft übernahm, da ihm die Lizenz fehlte, die ihm dauerhafte­s Trainieren einer Bundesliga­mannschaft erlaubt.

Das gilt noch immer. Lediglich 15 Werktage darf Bierofka dem Team offiziell vorstehen. Bis zum letzten Spiel vor der Winterpaus­e am 16. Dezember wird er die Löwen trainieren – so der Plan. Anschließe­nd wird er der Co-Trainer des neuen Coaches. Dessen Anforderun­gsprofil könnte kaum schwierige­r sein. Ob Deutscher oder Ausländer, das ist Ismaik egal. Aber: „Er muss den Verein verstehen“, so der Investor, der mit dieser Forderung den Kreis der Bewerber wohl drastisch einschränk­t.

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Foto: Gebert. dpa Investor Hasan Ismaik gab am Dienstag eine seiner seltenen Pressekonf­erenzen beim TSV 1860 München.

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