Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Uneinsichtige
Fußball Jürgen Klinsmann feierte als Trainer der USA einige Erfolge. Der Schwabe sorgte aber auch immer wieder für Kopfschütteln
Chicago
Es war eine Mischung, die so gut zu passen schien: Hier der deutsche Fußball-Enthusiast Jürgen Klinsmann, der schon dem DFBTeam neues Leben eingehaucht hatte. Und dort der amerikanische Fußballverband, der verzweifelt nach Orientierung suchte. Das war 2011, beim Amtsantritt von Klinsmann.
Die Stimmung hat sich gedreht. Die New York Times wirft dem geschassten Coach taktische Defizite und Uneinsichtigkeit vor, die Washington Post sieht es ähnlich. Die Chicago Tribune schrieb sogar, das US-Team sei zu „einer Mannschaft ohne Identität“verkommen. Die Revolution des amerikanischen Fußballs – fünf Jahre nach Klinsmanns Start ist sie abgeblasen. Nach zuletzt zwei bitteren Niederlagen in der WM-Qualifikation beurlaubte der amerikanische Verband den DFB-Ehrenspielführer. Nachfolger wird zum 1. Dezem- ber Bruce Arena. Der 65-Jährige hat die US-Auswahl bereits von 1998 bis 2006 betreut und ist derzeit noch Trainer bei LA Galaxy. Als Klinsmann im Sommer 2011 antrat, waren die Erwartungen immens. Der Verband erhoffte sich einen Quantensprung für die Entwicklung der Nationalmannschaft. Verbandschef Sunil Gulati sprach bei der Präsentation seines Wunschkandidaten von einer „neuen Ära“. Klinsmann – dieser Name stand damals vor allem für das deutsche Sommermärchen bei der WM 2006. Der Deutsche, seit inzwischen 18 Jahren in Kalifornien beheimatet, nahm die Rolle als US-Fußball-Messias bereitwillig an – obwohl der Weltmeister von 1990 als Trainer des FC Bayern zuvor krachend gescheitert war. Vertraglich ließ er sich weitreichende Freiheiten zusichern, und er hatte zunächst Erfolge vorzuweisen: Klinsmann schaffte es mit dem US-Team ins Achtelfinale der WM 2014, ein Jahr zuvor gewann sein Team den Gold Cup, das Turnier mit den Teams aus Nordamerika, Mittelamerika und der Karibik. Der Jubel ist längst verhallt. Mit null Punkten sind die USA derzeit Tabellenletzter in der Qualifikation für die WM 2018.
Klinsmann hatte fast regelmäßig für Kopfschütteln gesorgt. Den in den Staaten hochverehrten Superstar Landon Donovan hatte er bei der WM 2014 zu Hause gelassen. Seine Taktik wirkte bisweilen willkürlich. Nach dem 1:2 gegen Erzfeind Mexiko zuletzt war es sogar so weit, dass Spieler und Trainer sich öffentlich widersprachen. Mittelfeldprofi Michael Bradley reagierte auf Kritik von Klinsmann mit der Forderung nach „einer klaren taktischen Marschroute“. All das deutete auf Risse hin, die die Verantwortlichen nicht mehr übergehen konnten. Der Geschasste selbst wollte sich am Dienstag zunächst nicht zu seiner Beurlaubung äußern.