Augsburger Allgemeine (Land West)
18 Musiker, aber kein Dirigent
Konzert Der amerikanische Komponist Steve Reich hat der Musikgeschichte eine neue Richtung gegeben. Zu seinem 80. Geburtstag wird er weltweit gefeiert – auch in Augsburg
Dass Musiker eines Ensembles genau aufeinander hören, kann eigentlich niemanden wirklich überraschen. Wenn es aber keinen Dirigenten gibt, wenn die Noten nicht ausgeschrieben sind, wenn ein Komponist nur festgelegt hat, wie oft ein bestimmtes Muster gespielt werden kann, aber nicht, wie lange, dann hängt vom Zuhören und der gegenseitigen Abstimmung Wohl und Wehe einer Aufführung ab. Auch deshalb ist es ein besonderes Projekt, mit dem Ute Legner, Iris Lichtinger und Wolfram Oettl und 15 weitere Musiker nun in der Endphase der Proben sind: der Aufführung von Steve Reichs „Music for 18 Musicians“am kommenden Sonntag im Textilmuseum, veranstaltet von der Initiative zur Vermittlung von zeitgenössischer Musik Mehr Musik!
Der Amerikaner Steve Reich wird in diesem Jahr zu seinem 80. Geburtstag weltweit gefeiert. Er gilt als einer der Pioniere der Minimal Music und ist bekannt für seine rhythmusbetonten Kompositionen. Das macht es vielen Menschen, die der sogenannten Neuen Musik wenig abgewinnen können, leicht, ei- nem Stück von Steve Reich zuzuhören. „Reichs Klangwelt ist nicht abstrakt“, sagt Ute Legner, die Leiterin von „Mehr Musik!“, die zusammen mit Iris Lichtinger und Wolfram Oettl das Konzert „Steve Reich – eighty“initiiert hat.
In elf Phasen wiederholen und variieren in dem Stück vier Sängerinnen und die Instrumente – Klaviere, Percussion, Klarinetten, Streicher – jeweils einen zugrunde liegenden Akkord. Unterschiedliche Rhythmen treten gegenläufig hervor, Töne und Klänge greifen ineinander und schwellen kontinuierlich an und ab. „So entwickelt die Musik eine unwiderstehliche Sogwirkung“, beschreibt Legner die Faszination, die seit der Uraufführung 1976 viele Zuhörer dieses legendären Stücks erfasst hat. Von den Musikern erfordert die Form der Partitur große Aufmerksamkeit, Gespür für das Zusammenspiel, aber auch Geduld, stellt Ute Legner dar, „denn man muss als Mitwirkender ja selbst entscheiden, wann man das Stück mit seinem Part weiterdreht, man muss also auch etwas wirken lassen können, bevor man selbst einsetzt“. So ist es vor allem das Erfassen der besonderen Struktur des Stückes, was die Musiker zu üben haben.
Beteiligt sind an der Aufführung das Ensemble Die Schlagwerker, das Mehr Musik! Ensemble und Studierende des Leopold Mozart Zentrums. Zweimal wird das Stück am kommenden Sonntag aufgeführt, morgens konzertant, abends kombiniert mit zwei weiteren Kunstformen, den Choreografien von Ema Kawaguchi und Magdalena Oettl sowie der Medienkunst von Lab Binaer. „Wir wollten erkunden, was mit der Musik passiert, wenn es auch visuelle Reize gibt“, erklärt Legner. Wobei die Bilder auf Leinwand nicht einfache Projektionen seien, sondern die Musik auf visuelle Art „instrumentieren“. „Derjenige, der den Projektor steuert, ist sozusagen unser 19. Musiker“, stellt Ute Legner dar.
Neben der Einstudierung von „Music für 18 Musicians“gibt es bei der Augsburger Geburtstagshommage an Steve Reich auch ein Schülerprojekt mit Klassen der Bärenkeller-Grundschule, der Grundschule Vor dem Roten Tor, der Mittelschule Centerville-Süd und der Pestalozzischule Gersthofen. Drei Monate haben sich die Schüler unter Anleitung von Mehr Musik!-Kunstvermittlern mit Werken Reichs beschäftigt und dessen Art zu komponieren in eine eigene musikalische Form gefasst. „Die Kinder spielen die Musik nicht nach, sondern setzen sie mit ihren eigenen Mitteln um“, erläutert Ute Legner. Zu erleben sind die Ergebnisse am morgigen Donnerstag in zwei Konzerten im Abraxas. OTermine
Die beiden Konzerte am Sonntag, 27. November, finden um 11 und um 19.30 Uhr im Textilmuseum statt. Jeweils 45 Minuten vor Beginn gibt es eine Einführung. Die Konzerte mit Schü lern finden am morgigen Donnerstag um 10 und um 19 Uhr im Kulturhaus Abraxas statt.