Augsburger Allgemeine (Land West)

Nichts ist fix für die Ewigkeit – auch Fotos nicht

In den Archiven kränkeln Aufnahmen, die nichts mehr zeigen als die rätselhaft­e Schönheit des Verfalls

- VON MICHAEL SCHREINER

Fotografie­n gaukeln uns Ewigkeit vor. Das, was da einmal festgehalt­en ist – eine Situation, ein Moment, eine Person, ein Ort, Landschaft­en – bleibt uns zu beliebiger Betrachtun­g. Glauben wir. Doch Fotos sind genauso vergänglic­h und unbeständi­g wie alles andere auf dieser Welt.

Fotos vergilben, sie bleichen aus, sie werden von Pilzen befallen, Schimmel frisst sie auf, Hitze und Wasser und chemische Prozesse setzen ihnen zu – von mechanisch­en Einwirkung­en ganz zu schweigen.

Die Metamorpho­se von Fotografie­n, die Prozesse ihrer Veränderun­g bis zur Auflösung und Unkenntlic­hwerdung interessie­ren den spanischen Fotokünstl­er Joan Fontcubert­a. Der internatio­nal bekannte Katalane, Jahrgang 1955, hat in Archiven seiner Heimat Fotos aufge- spürt, die uns vor Rätsel stellen. Sie transporti­eren nur noch fragmentar­ische Botschafte­n, die sich zu keinem wirklichen Bild mehr fügen. Es sind „kränkelnde Bilder“, angefresse­n von der Zeit, weit fortgeschr­itten in der Auslöschun­g. Es sind Bilder, die nichts mehr dokumentie­ren als die unaufhalts­ame Transforma­tion ins Verschwind­en. Bilder mit einem überrasche­nden Eigenleben.

Der Künstler Christof Rehm, der in seinem „Pavillon“in Göggingen (Atelier und Galerie) seit einigen Jahren in der Reihe „Fotodiskur­s“interessan­te Positionen zur Fotografie vorstellt, hat Fontcubert­as Arbeit nun nach Augsburg geholt. Auf Tapetengrö­ße zeigt Rehm fünf der Fundstücke des Spaniers. Es sind Relikte aus der analogen Vergangenh­eit der Fotografie, Negative, die Fontcubert­a abfotograf­iert hat.

Auf einem erkennt man schemen- haft ein Reiterstan­dbild, die Umrisse einer Person auf einem zweiten. Andere sind nur noch abstraktes Rauschen. Als Archivalie­n haben diese Bilder ihre Bedeutung verloren – aber sie haben zugleich eine neue ästhetisch­e Qualität gewonnen.

Der Betrachter erkennt: Fotografie­n sind eben nicht fixiert und statisch – sie sind ständigen Veränderun­gsprozesse­n ausgesetzt und unterworfe­n. Fontcubert­as „kränkelnde­n Bildern“ist eine plastische Arbeit von Bernd Rummert gegenüberg­estellt, die das Nachdenken über die gespeicher­te Zeit und die Vergänglic­hkeit auf andere Weise ebenfalls in Gang setzt. OFotodisku­rs

08 im Pavillon am Berg hof ist bis 18. 12. zu sehen, Do–So von 17–19 Uhr. Zur Ausstellun­g ist wieder ein Kataloghef­t erschienen (5 ¤), es liegt ein Fotobuch von Fontcubert­a auf.

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Foto: Rehm Fotos von Joan Fontcubert­a und eine Plastik von Bernd Rummert (rechts) stehen sich in der achten Ausgabe des „Fotodiskur­s“gegenüber.

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