Augsburger Allgemeine (Land West)
Nichts ist fix für die Ewigkeit – auch Fotos nicht
In den Archiven kränkeln Aufnahmen, die nichts mehr zeigen als die rätselhafte Schönheit des Verfalls
Fotografien gaukeln uns Ewigkeit vor. Das, was da einmal festgehalten ist – eine Situation, ein Moment, eine Person, ein Ort, Landschaften – bleibt uns zu beliebiger Betrachtung. Glauben wir. Doch Fotos sind genauso vergänglich und unbeständig wie alles andere auf dieser Welt.
Fotos vergilben, sie bleichen aus, sie werden von Pilzen befallen, Schimmel frisst sie auf, Hitze und Wasser und chemische Prozesse setzen ihnen zu – von mechanischen Einwirkungen ganz zu schweigen.
Die Metamorphose von Fotografien, die Prozesse ihrer Veränderung bis zur Auflösung und Unkenntlichwerdung interessieren den spanischen Fotokünstler Joan Fontcuberta. Der international bekannte Katalane, Jahrgang 1955, hat in Archiven seiner Heimat Fotos aufge- spürt, die uns vor Rätsel stellen. Sie transportieren nur noch fragmentarische Botschaften, die sich zu keinem wirklichen Bild mehr fügen. Es sind „kränkelnde Bilder“, angefressen von der Zeit, weit fortgeschritten in der Auslöschung. Es sind Bilder, die nichts mehr dokumentieren als die unaufhaltsame Transformation ins Verschwinden. Bilder mit einem überraschenden Eigenleben.
Der Künstler Christof Rehm, der in seinem „Pavillon“in Göggingen (Atelier und Galerie) seit einigen Jahren in der Reihe „Fotodiskurs“interessante Positionen zur Fotografie vorstellt, hat Fontcubertas Arbeit nun nach Augsburg geholt. Auf Tapetengröße zeigt Rehm fünf der Fundstücke des Spaniers. Es sind Relikte aus der analogen Vergangenheit der Fotografie, Negative, die Fontcuberta abfotografiert hat.
Auf einem erkennt man schemen- haft ein Reiterstandbild, die Umrisse einer Person auf einem zweiten. Andere sind nur noch abstraktes Rauschen. Als Archivalien haben diese Bilder ihre Bedeutung verloren – aber sie haben zugleich eine neue ästhetische Qualität gewonnen.
Der Betrachter erkennt: Fotografien sind eben nicht fixiert und statisch – sie sind ständigen Veränderungsprozessen ausgesetzt und unterworfen. Fontcubertas „kränkelnden Bildern“ist eine plastische Arbeit von Bernd Rummert gegenübergestellt, die das Nachdenken über die gespeicherte Zeit und die Vergänglichkeit auf andere Weise ebenfalls in Gang setzt. OFotodiskurs
08 im Pavillon am Berg hof ist bis 18. 12. zu sehen, Do–So von 17–19 Uhr. Zur Ausstellung ist wieder ein Katalogheft erschienen (5 ¤), es liegt ein Fotobuch von Fontcuberta auf.