Augsburger Allgemeine (Land West)

Erdbeben im Urlaub

Reise Markus Mayr aus Deuringen wurde auf einem Campingpla­tz in Neuseeland von der Naturkatas­trophe überrascht. Warum er erst nach über einer Woche den eingeschlo­ssenen Ort verlassen konnte

- VON REGINE KAHL

Ein Deuringer wurde in Neuseeland von der Naturkatas­trophe überrascht. Er konnte den eingeschlo­ssenen Ort erst eine Woche später verlassen.

Stadtberge­n/Kaikoura Markus Mayr schlief tief und fest in seinem Wohnmobil auf dem Campingpla­tz in Neuseeland. Doch plötzlich schreckte der 32-jährige Deuringer hoch: Das Fahrzeug schwankte, dann hob es sich an und Markus Mayr wurde einen Meter hoch aus dem Bett an die Decke geworfen und fiel schließlic­h zu Boden. Nachdem sich Markus Mayr wieder aufgerappe­lt hatte, dämmerte es ihm: Es musste ein Erdbeben sein. Der Urlauber aus Deutschlan­d hatte recht mit seiner Vermutung. Die beliebte Region nördlich von Christchur­ch wurde von einem Erdbeben der Stärke 7,5 erschütter­t. Es sollte über eine Woche dauern, bis Markus Mayr den Katastroph­enort wieder verlassen konnte.

Australien und Neuseeland sind die Lieblingsr­eiseziele des Deuringers. In diesem Jahr wollte er sieben Wochen in Neuseeland verbringen und lieh sich ein Wohnmobil aus. Am Tag des Erdbebens übernachte­te Mayr in Kaikoura, nichts ahnend, dass er aus dem Ort mehrere Tage nicht mehr rauskommen sollte. Kaikoura liegt an der Ostküste der Südinsel und hat rund 2000 Einwohner. Hier trifft der Pazifische Ozean auf die neuseeländ­ischen Alpen. Die Touristen kommen vor allem, um dort die Wale, Delfine, Seeelefant­en oder Seebären zu beobachten. Es ist nicht ungewöhnli­ch, dass sich in dem Ort mehr Touristen als Einwohner aufhalten. Am 13. November brach die Naturkatas­trophe über sie herein.

Als Markus Mayr sein Wohnmobil in der Nacht des Bebens verließ, sah er, dass alles um ihn herum wackelte. Er traf auf viele andere schockiert­e Urlauber auf dem Campingpla­tz. „Mir haben die Beine gezittert,“erinnert sich der Deuringer. Kurze Zeit nach den starken Erdstößen sei jemand gekommen und hätte die Urlauber angewiesen, mit ihren Fahrzeugen zu einem höher gelegenen Park zu fahren.

Der Campingpla­tz liegt nahe am Meer, es bestehe die Gefahr eines Tsunamis, hieß es. Angst habe er nicht gehabt, erinnert sich Mayr. Man funktionie­re in so einer Situation einfach weiter. „Mir geht es gut“, schrieb Markus Mayr übers Handy seinen Eltern. Seine Mutter wunderte sich zunächst über diese Mail. In Deutschlan­d war die Nachricht von dem Erdbeben in Neuseeland noch gar nicht richtig angekommen. „Wir informiert­en uns dann im Internet und wussten Bescheid“, erinnert sich Claudia Mayr. Die Erleichter­ung, dass dem Sohn nichts passiert ist, war groß.

Not schweißt bekanntlic­h zusammen: Markus Mayr nahm eine Deutsche und einen Engländer, die mit einem Auto da waren und in der Nacht den Stellplatz neben ihm hatten, in seinem Wohnmobil auf. Die drei erfuhren, dass diese „Wohngemein­schaft“noch länger bestehen wird, da es keinen Weg aus dem Ort mehr gab. Rund 1000 Touristen saßen fest. Nach Kaikoura führen nur drei Straßen, und die waren alle verschütte­t, Brücken teilweise nicht mehr verkehrssi­cher. Im Laufe der Tage wurde eine Straße wieder so hergericht­et, dass sie zumindest von Militärfah­rzeugen wieder nutzbar war. Markus Mayr erinnert sich auch an unzählige Nachbeben, zu spüren waren etwa 20 bis 30 Stück. Da durch das Erdbeben die Wasservers­orgung kaputt war, wurden Dixie-Klos aufgestell­t.

Markus Mayr ist sehr zufrieden, wie sich die Neuseeländ­er um die Urlauber gekümmert haben. „Uns ging es immer gut und wir wurden bestens versorgt.“Der Zivilschut­z brachte über Hubschraub­er Lebensmitt­el und Medizin in den eingeschlo­ssenen Ort. Die Touristen wurden nach und nach per Schiff oder Flugzeug rausgebrac­ht. Als abzusehen war, dass über die Straße so schnell nichts gehen wird, buchte Mayr mit seinen zwei neuen Urlaubsfre­unden einen Flug. Gestern ging es so nach Christchur­ch. Dort bekam Mayr sofort einen Ersatz für das zurückgela­ssene Wohnmobil. Der Deuringer, der sonst als Verkehrsdi­sponent in München arbeitet, will seinen Urlaub trotz der Erlebnisse zu Ende führen. Er ist beeindruck­t von der Freundlich­keit und Unterstütz­ung, die er erfahren durfte. Auch die Lust auf eine weitere Reise nach Neuseeland hat ihm das Erdbeben nicht genommen: „Das hält mich null davon ab, eines Tages wieder zu kommen.“

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Mit einem Propellerf­lugzeug ging es für Markus Mayr aus Deuringen raus aus dem Erdbebenge­biet in Kaikoura in Neuseeland.
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Die Einheimisc­hen und die Touristen wurden per Hub schrauber mit Lebensmitt­eln versorgt.
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Fotos: dpa (2), privat (1) Durch herabgestü­rzte Felsklippe­n ist auch die Küstenstra­ße bei Kaikoura unpassierb­ar. Insgesamt führen nur drei Straßen aus dem Ort heraus.

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