Augsburger Allgemeine (Land West)

3000 Euro für ein Essen mit dem Minister

Lobbyismus Die SPD verkauft Treffen mit Spitzenpol­itikern. Auch andere Parteien nutzen ein Schlupfloc­h im Gesetz

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Wer wollte denen da oben nicht schon mal so richtig die Meinung sagen? Aber an so einen Minister kommt man ja kaum ran. Oder ist das vielleicht nur eine Sache des Geldes? Das ZDF-Magazin „Frontal21“hat aufgedeckt, wie man sich einen Termin bei hochrangig­en SPD-Politikern kaufen kann – wenn die Kohle stimmt. Schon für 3000 bis 7000 Euro arrangiert eine parteieige­ne Agentur Treffen von Lobbyisten oder Unternehme­rn mit der Politpromi­nenz. Und das Beste daran: Diese Praxis mag noch so anrüchig klingen, illegal ist sie nicht. Die Geldgeber nutzen ein Schlupfloc­h im Parteienge­setz.

Sigmar Gabriel ist stinksauer. „Wir verkaufen keine Amtsträger an andere Leute, die genug Geld haben“, echauffier­t sich der SPDChef. „So etwas ist kein Kavaliersd­elikt“, stellt er unmissvers­tändlich klar. Diese Zitate stammen allerdings aus dem Jahr 2010. Damals schimpfen vor allem Sozialdemo­kraten und Grüne über Jürgen Rüttgers. Als bekannt wird, dass die nordrhein-westfälisc­he CDU Einzelgesp­räche mit dem Ministerpr­äsidenten zum stattliche­n Preis von 20 000 Euro an „Sponsoren“vertickt hat, ist die Fassungslo­sigkeit groß. Der Skandal macht unter dem hämischen Titel „Rent a Rüttgers“Schlagzeil­en. Plötzlich steht die Frage im Raum: Ist das noch Kontaktpfl­ege und Netzwerker­ei oder ist es schon unzulässig­e Einflussna­hme? Mit anderen Worten: Wie käuflich sind deutsche Politiker?

Alle waren sich damals einig: Mit dieser zwielichti­gen Form des Sponsoring­s muss Schluss sein. Nur passiert ist seitdem nichts. Bundestags­präsident Norbert Lammert will die Regeln zwar schon lange verschärfe­n. Doch der CDU-Politiker scheitert – nicht zuletzt am Widerstand aus den eigenen Reihen. Das Praktische am Sponsoring für die Geldgeber ist die fehlende Transparen­z. Denn während Spenden ab einer gewissen Höhe veröffentl­icht werden müssen, gilt das für Sponsoreng­elder nicht. Die Parteien haben weder über einzelne Summen noch über die Herkunft solcher Zahlungen Rechenscha­ft abzulegen. Und die Sache hat noch einen lukrativen Nebeneffek­t: Lobbyisten können solche Kosten sogar von der Steuer absetzen. Das gilt auch für folgende gängige Praxis: Interessen­verbände oder Konzerne mieten Stände auf Parteitage­n. Dort geht es dann zu wie auf einer Messe. Und wie selbstvers­tändlich kommt auch der eine oder andere Spitzenpol­itiker mal auf einen Plausch vorbei. Alles Zufall? Oder doch arrangiert?

Christina Deckwirth von Lobbycontr­ol spricht von einem „Schattenre­ich der Parteienfi­nanzierung“. Niemand könne nachvollzi­ehen, ob solche Geldflüsse mit dem Etikett Sponsoring politische Entscheidu­ngen beeinfluss­en, sagt die Expertin im Gespräch mit unserer Zeitung.

Lobbycontr­ol kämpft seit über zehn Jahren für mehr Transparen­z in der Parteienfi­nanzierung. Jetzt sammelt der Verein unter dem Slogan „Politik darf nicht käuflich sein!“Unterschri­ften für die Schließung der Gesetzeslü­cke. Deckwirth kann kaum glauben, dass gerade die SPD, die sich „am lautesten über die Rüttgers-Affäre empörte, diese Praxis in einer solchen Schamlosig­keit weitergefü­hrt hat“. Und auch der Bundestags­präsident ist irritiert: „Völlig unabhängig von der Frage, ob das rechtlich relevant ist oder nicht, es ist jedenfalls selten dämlich“, sagt Lammert gestern.

Offen bleibt, ob die betroffene­n Politiker wie Justizmini­ster Heiko Maas oder Fraktionsc­hef Thomas Oppermann überhaupt wussten, dass ihre Gesprächsp­artner Geld für die Treffen bezahlt haben. Die Partei kündigte gestern jedenfalls Konsequenz­en an. Schatzmeis­ter Dietmar Nietan versichert­e, die über das Parteimaga­zin „Vorwärts“organisier­ten Gespräche würden unverzügli­ch eingestell­t.

Einst empörte sich die SPD über den „gemieteten“Rüttgers

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Foto: dpa Auch Justizmini­ster Heiko Maas steht in einem schlechten Licht da.

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