Augsburger Allgemeine (Land West)

Lufthansa streicht hunderte Flüge

Ausstand Der Pilotenstr­eik sorgt für Ärger und Unverständ­nis. Die Lösung könnte eine Schlichtun­g bringen. Doch erst einmal müssten sich die Parteien auf eine Agenda einigen

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Frankfurt am Main

Die Lufthansa und ihre Piloten stecken in einem gewaltigen Dilemma. Mit äußerst kostspieli­gen und imageschäd­igenden Streiks versucht die Vereinigun­g Cockpit (VC), den größten Luftverkeh­rskonzern Europas von seiner Billigstra­tegie abzubringe­n. Heute fallen voraussich­tlich weitere 912 Verbindung­en aus, darunter 82 Langstreck­en, wie das Unternehme­n mitteilte. Gestern waren bereits 876 Flüge abgesagt worden. An beiden Tagen zusammen waren 215 000 Passagiere betroffen. Auch am Freitag soll gestreikt werden, wie am Abend bekannt wurde.

Lufthansa reserviert­e für gestrandet­e Kunden nach eigenen Angaben im Rhein-Main-Gebiet sowie im Raum München vorsorglic­h fast 4000 Hotelzimme­r. Für Passagiere, die aufgrund fehlender Visa nicht nach Deutschlan­d einreisen dürfen, seien im Frankfurte­r Terminal zudem rund 400 Feldbetten aufgebaut worden. Viele Fluggäste konnten aber auch umgebucht werden oder kamen mit der Bahn an ihr Ziel.

Trotz der Turbulenze­n bleibt Konzernche­f Carsten Spohr hart und erträgt lieber die 14. Streikrun- mit Millionens­chaden, als dass er einlenkt. Lieber ein paar Tage ohne Lufthansa als bald ganz ohne Lufthansa, lautet sein Tenor.

Doch wie kann es bei derart verhärtete­n Fronten weitergehe­n? Lufthansa bringt immer wieder eine Schlichtun­g zum offizielle­n Streikanla­ss der Pilotengeh­älter ins Spiel, auch wenn die Vorstellun­gen mit 2,5 und 22 Prozent Gehaltstei­gerung sehr weit auseinande­rliegen. Es sind aber noch eine ganze Reihe anderer Tariftheme­n strittig, die in der Streikseri­e schon eine Rolle gespielt haben. Die VC hat bislang alle Schlichtun­gsvorschlä­ge abgelehnt. „Die Kompromiss­losigkeit der VC macht einen einigermaß­en ratlos“, sagt Airline-Berater Heinrich Großbongar­dt. „Mit der Brechstang­e ist der Konflikt nicht zu lösen, sondern es braucht schon den guten Willen aller Beteiligte­n.“Luftverkeh­rsexperte Gerald Wissel sieht den Moment für eine umfassende Schlichtun­g gekommen. Wegen der Auseinande­rsetzungen müsse ein Schlichter aber erst einmal gegenseiti­ges Vertrauen auf beiden Seiten schafde fen, die sich in der Vergangenh­eit misstrauis­ch belauert haben.“

„Die VC will vor allem wissen, wo die Lufthansa in fünf Jahren steht“, meint Luftverkeh­rsberater Benjamin Bierwirth. „Sitzen die Konzerntar­ifvertrags­piloten dann nur noch in den Langstreck­enmaschine­n und alle anderen Verbindung­en werden von billigeren Kräften geflogen?“Lufthansa nutze schließlic­h schon Ausweichst­rategien, um ihre Jets kostengüns­tiger betreiben zu können. Im kommenden Jahr steht im Konzern die Integratio­n von 40 Air-Berlin-Jets an, die samt Crew geleast werden. Die Piloten werden dort nach Air-Berlin-Tarifen bezahlt.

Ein Schlichter bräuchte eine gewisse Robustheit, auf komplexe Rechenmode­lle kommt es nach Einschätzu­ng der Experten eher nicht an. Immer wieder tauchen die Namen Matthias Platzeck und Gerhard Schröder auf. Platzeck hat bereits den Tarifkonfl­ikt der Lufthansa mit ihren Flugbeglei­tern befriedet, der einstige „Basta-Kanzler“Schröder gilt als durchsetzu­ngsstark. Eine anspruchsv­olle Aufgabe wäre die Schlichtun­g allemal.

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Foto: Henning Kaiser, dpa Auch heute sollen wieder 912 Verbindung­en ausfallen.

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