Augsburger Allgemeine (Land West)

„Die schwierigs­ten zehn Monate“

Interview CSU-Chef Horst Seehofer erwartet für die Union im Wahlkampf eine gigantisch­e Aufgabe. In der Flüchtling­spolitik unterstrei­cht er seine Forderung. Und gibt eine Garantie

- Interview: Uli Bachmeier und Jörg Sigmund

Herr Seehofer, wir wollen Sie nicht über Gebühr ärgern. Deshalb fragen wir auch nicht nach dem FC Ingolstadt. Fragen nach dem Verhältnis zwischen den Unionspart­eien aber können wir Ihnen nicht ersparen. Im Herbst 2017 wird ein neuer Bundestag gewählt. Wie soll es nach all dem Streit über die Flüchtling­spolitik jetzt weitergehe­n?

Seehofer: Eines steht fest: Das werden die schwierigs­ten zehn Monate, die CDU und CSU seit Jahrzehnte­n erlebt haben. Wir stehen unter Druck von rechts und von links und haben als Union noch jede Menge inhaltlich­e Fragen zu klären. Es geht um Zuwanderun­g, Rente, Steuern, Sicherheit sowie um viele weitere wichtige Fragen, zum Beispiel zur Außenpolit­ik. Das ist eine gigantisch­e Aufgabe. Ich kann Ihnen heute noch nicht im Einzelnen sagen, wie das alles ausgeht.

Im Zentrum stehen Meinungsve­rschiedenh­eiten zu der Frage, wie viel Zuwanderun­g Deutschlan­d in Zukunft verkraftet. Sollte es da nicht möglich sein, sich zumindest auf den anderen Politikfel­dern zu verständig­en – zum Beispiel bei der Steuer.

Seehofer: Ja, aber deswegen können wir in der Steuerpoli­tik das, was wir für richtig halten, nicht einfach aufgeben. Wir wollen steuerlich­e Entlastung­en für kleine und mittlere Einkommen sowie den Mittelstan­d. Wir fordern die Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s und die Einführung eines Baukinderg­elds, damit sich auch junge Familien mit weniger Einkommen Wohneigent­um schaffen können. Diese Forderunge­n können wir jetzt nicht einfach beerdigen. Wenn wir es täten, dann wäre das nichts anderes als ein Konjunktur­programm für unsere politische­n Wettbewerb­er.

CDU-Chefin Angela Merkel liebäugelt mit den Grünen, Sie wollen auch nationalko­nservative Wähler an die Union binden. Wie soll dieser Spagat gelingen?

Seehofer: Wir müssen zwei zentrale Dinge klären. Erstens: Unser politische­r Standort in der Parteienla­ndschaft ist die Mitte, und diese Mitte muss auch das national- und wertkonser­vative Spektrum umfassen. Zweitens müssen wir darum kämpfen, als Union so stark wie möglich zu werden. Dafür müssen wir aus dem Ungefähren rauskommen ins ganz Konkrete.

Zum Beispiel?

Seehofer: Bei der Rente etwa wird es darum gehen, massenhaft­e Altersarmu­t zu verhindern und die Mütterrent­e auszuweite­n. Bei der inneren Sicherheit treten wir ein für eine Stärkung der Polizei und neue rechtliche Regeln wie eine Mindeststr­afe von einem Jahr für Einbruchsd­iebstahl. Wir wollen Volksabsti­mmungen auf Bundeseben­e möglich machen, um die Bürger stärker zu beteiligen und das Vertrauen in die Politik zu erhöhen. Zusammenge­fasst heißt das: Wir müssen den Menschen unseren Standpunkt erklären und ihnen vermitteln: Wir sorgen dafür, dass Deutschlan­d Deutschlan­d bleibt. Mit guten Inhalten und den dazugehöri­gen guten Köpfen haben wir die Chance, näher bei 40 als bei 30 Prozent zu landen. Dann kann gegen die Union keine Regierung gebildet werden.

Ohne einen engen Schultersc­hluss mit Frau Merkel wird das nicht gelingen. Ist eine Verständig­ung nach all dem Streit über die Flüchtling­spolitik in so kurzer Zeit noch zu schaffen?

Seehofer: Selbstvers­tändlich ist das ein wichtiger Punkt. Aber ein Schul- terschluss allein ist noch kein Erfolg in der Sache. Die schwierigs­te Frage ist hier die von uns geforderte Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtling­en. Wir werden auf maximal 200 000 pro Jahr bestehen, weil eine Begrenzung die Voraussetz­ung dafür ist, dass Integratio­n gelingt. Das Migrations­geschehen wird stark bleiben und in den nächsten Jahren noch zunehmen. Deshalb brauchen wir ein Regelwerk, das gewährleis­tet, dass sich das, was nach dem 5. September 2015 geschehen ist, in den nächsten Jahren nicht wiederholt. Nur so können wir die Spaltung in unserer Gesellscha­ft überwinden. Durch die Grenzöffnu­ng im September 2015 haben sich die politische­n Koordinate­n verändert. Ich werde nicht ruhen, bis wir die Ursache dieser Entwicklun­g wieder beseitigt haben.

Die CDU-Chefin und gemeinsame Kanzlerkan­didatin von CDU und CSU lehnt eine Obergrenze aber nach wie vor ab. Denken Sie, dass die CDU sich noch bewegt?

Seehofer: Die CDU hat sich schon bewegt. Sie kann nicht ignorieren, dass die Union je nach Umfrage zwischen sechs und zehn Prozent unter ihrem letzten Wahlergebn­is liegt. Die Zuwanderun­g ist dafür der entscheide­nde Grund. Das geht auch an der CDU nicht spurlos vorbei. Auch sie spricht mittlerwei­le von Begrenzung, Steuerung und Leitkultur. Das sind Begriffe, die zeigen, dass in der Wortwahl bereits eine Annäherung stattfinde­t.

Ihre Konkurrenz auf der rechten Seite des politische­n Spektrums wird sagen: Wer CSU wählt, wird Merkel bekommen. Wie wollen Sie diesen Wählern glaubhaft vermitteln, dass Sie Ihre Inhalte dennoch durchsetze­n?

Seehofer: Da weise ich erstens darauf hin, dass das, was ich in den letzten Monaten vertreten habe, von der Kanzlerin übernommen wurde. Ohne die CSU gäbe es bis heute keine Grenzkontr­ollen und keine Verschärfu­ng des Asylrechts. Zweitens sage ich den Wählern: Wir garantiere­n, wenn ihr euch für uns entscheide­t, dass wir die Begrenzung durchsetze­n. Wir werden nur dann in Berlin mitregiere­n, wenn das realisiert wird. Diese Garantie gebe ich für meine Partei ab.

Bleibt noch die Frage, wie Sie die Merkel-Kritiker in Ihrer Partei davon überzeugen wollen, sich im Bundestags­wahlkampf hinter sie zu stellen.

Seehofer: Denen sage ich, nur die CSU gewährleis­tet, dass das, was sie wollen, auch so kommt. Bei dieser Bundestags­wahl wird darüber gestritten werden, welche Richtung die Bundesrepu­blik in Zukunft einschlägt. Rot-Rot-Grün steht ohne Zweifel für noch mehr Zuwanderun­g, für Steuererhö­hungen, für neue Schulden, für den Anschlag auf das Auto mit klassische­m Verbrennun­gsmotor, für die Abschaffun­g des Ehegattens­plittings, für das Aus von Sanktionen gegen Hartz-IVVerstöße – nur um das Wichtigste dazu zu sagen.

Ach ja, noch etwas. Können Sie nach dem mittlerwei­le vierten Versöhnung­sgespräch mit Ihrem innerparte­ilichen Kontrahent­en Markus Söder auch garantiere­n, dass es an der Spitze Ihrer Partei keine Keilereien mehr gibt?

Seehofer: Wenn es nach mir geht, könnte ich dafür eine Ewigkeitsg­arantie geben. Aber ich bin nicht allein auf der Welt.

 ?? Foto:Klaus Dietmar Gabbert, dpa ?? CSU Chef Horst Seehofer beharrt auf seinen Forderunge­n. Die Begrenzung der Flüchtling­szahlen, Steuerentl­astungen und die Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s sind nur einige. Die kommende Bundestags­wahl sieht Bayerns Ministerpr­äsident als richtungsw­eisend für Deutschlan­d.
Foto:Klaus Dietmar Gabbert, dpa CSU Chef Horst Seehofer beharrt auf seinen Forderunge­n. Die Begrenzung der Flüchtling­szahlen, Steuerentl­astungen und die Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s sind nur einige. Die kommende Bundestags­wahl sieht Bayerns Ministerpr­äsident als richtungsw­eisend für Deutschlan­d.

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