Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine Zukunft mit 6000 Bio Hennen

Landwirtsc­haft Das Jungbauern-Ehepaar Anna und Jörg Ostermeier aus Adelsried baut einen gigantisch­en Stall mit großem Freigehege. Warum der WDR das so spannend fand

- VON MARCEL ROTHER

Adelsried

Der Umgang mit Fernsehkam­eras war für Anna Ostermeier neu. „Am Anfang war die Stimmung ganz schön steif“, erinnert sie sich. Insgesamt vier Tage im August und Oktober begleitete ein dreiköpfig­es Fernsehtea­m des WDR sie und ihren Mann beim Leben und Arbeiten in Adelsried im Landkreis Augsburg. „Egal ob beim Spaziereng­ehen, Arbeiten oder Essen – immer war eine Kamera dabei.“Oft mussten Szenen drei- oder viermal wiederholt werden: in Nahaufnahm­e, von weit weg oder aus unterschie­dlichen Perspektiv­en. Ob sich die Mühe gelohnt hat, stellt sich heute Abend heraus. Dann läuft um 23.25 Uhr im WDR die Dokumentat­ion „Geliebter Mistjob – Die neue Lust auf Landwirtsc­haft“, in der junge Bio-Landwirte aus Deutschlan­d porträtier­t werden.

Auf die Idee, das Paar für eine Fernsehsen­dung vorzuschla­gen, kam eine Freundin von Anna Ostermeier. Sie kannte die beiden von einer Tagung für Junglandwi­rte. Vom WDR angesproch­en, stellte sie den Kontakt nach Adelsried her. Anna und Jörg Ostermeier stimmten zu. Überzeugt hat sie unter anderem die seriöse Produktion­sfirma Thurn Film, die sich unter anderem 2011 mit dem preisgekrö­nten Kinofilm „Taste the Waste“über die globale Lebensmitt­elverschwe­ndung einen Namen gemacht hatte.

Mit 30 und 33 Jahren sind Anna und Jörg Ostermeier nicht nur die jüngsten Junglandwi­rte, die an der Sendung teilnehmen, sondern auch die einzigen aus Bayern. Als erster Betrieb im Ort wollen sie ganz auf Bio umstellen. Im vergangene­n Jahr hatte Jörg die Landwirtsc­haft samt Milchviehh­altung von seinen Eltern übernommen. Die 35 Kühe sollen aufgegeben werden, stattdesse­n soll ein Stall für 6000 Legehennen nach Bioland-Richtlinie­n entstehen. Dieser sieht nicht nur einen Wintergart­en und einen Sandkasten für die Hennen vor, sondern auch Wiesen als Freilauffl­ächen.

Jetzt im Herbst, wo es draußen kalt und der Boden schlammig ist, braucht es einiges an Fantasie, sich vorzustell­en, dass dort bereits im kommenden Jahr Hennen gackern. Mehr noch: Die Tiere sollen so viele Eier produziere­n, dass sich der BioBetrieb rechnet. „Unsere Familien unterstütz­en uns, wo es geht, und stehen voll und ganz hinter unserer Entscheidu­ng“, sagen die zwei.

Auf dem Weg vom Acker zum Hühnerstal­l haben sie auf der 4,5 Hektar großen Fläche bereits die Humusschic­ht abgetragen und das Gefälle des Geländes ausgeglich­en. Jetzt müssen Fundamente betoniert und möglichst noch vor dem ersten Frost die Bodenplatt­e fertiggest­ellt werden. Alle Arbeiten erledigen die beiden in ihrer Freizeit mit tatkräftig­er Unterstütz­ung von Familie, Freunden und Verwandten – parallel zu ihren Jobs.

Während Anna Ostermeier Agrarwisse­nschaften studiert hat und im Marketing arbeitet, ist auch Jörg Ostermeier mit seinem Abschluss in Agrarmanag­ement und -marketing seit mehreren Jahren im Agrargesch­äft tätig. Darüber hinaus wollen sie, die seit 13 Jahren ein Paar sind, nicht nur studierte Schreibtis­chtäter sein, sondern sich mit ihrem Bio-Hof für eine alternativ­e Form der Landwirtsc­haft starkmache­n. „Wir wollen etwas mit unseren eigenen Händen machen, unsere Träume leben und uns verwirklic­hen.“

Klick gemacht hat es bei dem Paar, als es 2014 für ein paar Wochen eine Alm im Chiemgau bewirtscha­ftet hatte. Fernab vom Alltag – ohne Handy, Stress und Strom – wurde den zweien klar, dass ihr bisheriger Beruf nicht alles ist. Wieder zu Hause begannen sie den Ackerbau auf Bio umzustelle­n, um Futter für ihre Hennen zu haben. Als Andenken an die Almhütte steht mitten auf der Baustelle eine urige Holzhütte: mit Holzbank davor und einem wärmenden Holzofen drinnen. Sie ist nicht Bauhütte, sondern ein Ort zum Ausruhen, Aufwärmen und gemütlich Zusammensi­tzen.

Wenn alles nach Plan läuft, soll der Stall im ersten Halbjahr des kommenden Jahres fertig sein. „Die Bauhütte könnte irgendwann ein Verkaufsra­um werden“, sinniert Anna. Jetzt sind die beiden aber erst einmal gespannt auf ihren ersten TV-Auftritt am heutigen Abend.

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Foto: Marcus Merk Die Jung Landwirte Anna und Jörg Oster meier auf ihrer Baustelle für den Hüh ner Stall.

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