Augsburger Allgemeine (Land West)

Reichsbürg­er in den Reihen der Polizei

Kriminalit­ät Der Todesschüt­ze von Georgensgm­ünd war mit zwei Beamten gut bekannt. Einer hat sogar im Polizeicom­puter für ihn recherchie­rt. Wie stark sind die Verflechtu­ngen?

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg

Als am frühen Morgen des 19. Oktober das Spezialein­satzkomman­do zu Wolfgang P. kam, um ihm seine 31 Waffen wegzunehme­n, wartete der „Reichsbürg­er“schon hinter der Schlafzimm­ertür. Er hatte eine Pistole und trug eine schusssich­ere Weste. Die Beamten kamen die Treppen hoch, P. eröffnete das Feuer. War der Mann gewarnt?

Gleich nach dem tödlichen Vorfall von Georgensgm­ünd (Landkreis Roth) wurde aufgrund der Umstände des Einsatzes dieser Verdacht laut. Jetzt versuchen die Ermittler, mehr darüber herauszufi­nden. Am Mittwochvo­rmittag wurden die Wohnungen und Diensträum­e zweier mittelfrän­kischer Polizisten durchsucht. Der Oberkommis­sar, 49, und der Hauptkommi­ssar, 50, haben offenbar über einen WhatsApp-Chat regen Kontakt zum „Reichsbürg­er“P. gepflegt. Ihre Handys und Computer wurden sichergest­ellt. Beim 49-Jährigen wurden zudem verbotene Gegenständ­e wie Wurfsterne, ein Wurfmesser und eine Schrecksch­usswaffe ohne Zulassung entdeckt.

Was die Ermittler bisher offiziell bestätigen, ist, dass gegen den Oberkommis­sar wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgehe­imnissen ermittelt wird. Konkret: Nachdem das Landratsam­t Wolfgang P. mitgeteilt hat, dass er wegen Unzuverläs­sigkeit seine Waffen abgeben muss, soll der 49-jährige Beamte Ende August im Polizeicom­puter recherchie­rt haben, ob etwas gegen den „Reichsbürg­er“vorliegt.

Was die Ermittler nicht sagen: Es wird auch geprüft, ob die Polizisten Wolfgang P. vor dem SEK-Einsatz 19. Oktober gewarnt haben. Dazu müssen nun die Chatprotok­olle ausgewerte­t werden. Das kann auch deshalb einige Zeit dauern, weil nach Informatio­nen unserer Zeitung teilweise verschlüss­elt kommunizie­rt worden ist. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) sagte gestern: „Ich bin entsetzt über diesen Verdacht. Es muss jetzt restlos aufgeklärt werden, ob er begründet oder unbegründe­t ist.“

An dem Handychat waren neben P. die beiden Polizisten, die Lebensgefä­hrtin des 49-jährigen Oberkommis­sars und weitere Personen betei- ligt, so Oberstaats­anwalt Alfred Huber. Würde sich der Verdacht bestätigen, dass einer der Polizisten Wolfgang P. vor dem Polizeiein­satz gewarnt hat, dann wäre er mitverantw­ortlich für die tödlichen Schüsse auf einen Kollegen. Bei der Bluttat waren zudem drei weitere SEKBeamte schwer verletzt worden. Es wäre eine Polizeiaff­äre von gewaltigem Ausmaß.

Der mittelfrän­kische Polizeiprä­sident Johann Rast betonte am Mittwoch, es werde nun akribisch ermittelt, inwieweit die beiden Polizisten Anhänger der „Reichsbürg­er“-Beam wegung sind. Bislang seien sie gegenüber den Behörden nicht als solche aufgetrete­n. Beide sind vorläufig suspendier­t. Die „Reichsbürg­er“erkennen den Staat nicht an. Sie behaupten, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Und sie sprechen dem Grundgeset­z, Behörden und Gerichten die Legitimitä­t ab.

Nach den tödlichen Schüssen von Georgensgm­ünd hat die Polizei bundesweit begonnen, in ihren eigenen Reihen nach möglichen „Reichsbürg­ern“zu suchen. Sie wurde überall fündig. In Bayern gibt es nach Angaben des Innenminis­teriums derzeit zwölf Disziplina­rverfahren gegen Polizisten wegen „Reichsbürg­er“-Verdachts, darunter sind zehn aktive und zwei Ruhestands­beamte. Mit den beiden mittelfrän­kischen Polizisten sind momentan sechs Beamte vom Dienst suspendier­t, davon stammt einer aus dem Landkreis Augsburg. Insgesamt gibt es bei der bayerische­n Polizei rund 41 000 Mitarbeite­r. Erst am Dienstag hat Bundesinne­nminister Thomas de Maizière angekündig­t, die „Reichsbürg­er“-Bewegung werde jetzt auch bundesweit vom Verfassung­sschutz beobachtet.

Angesichts dieses Zahlenverh­ältnisses will Hermann Benker, Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft, nicht von einer größeren Bewegung von „Reichsbürg­ern“innerhalb der bayerische­n Polizei sprechen. Benker sagt aber auch: „Jeder Fall ist einer zu viel“, und fordert ein konsequent­es Vorgehen gegen Anhänger dieser Ideologie. „Reichsbürg­er“würden bei ihnen sofort aus der Gewerkscha­ft ausgeschlo­ssen werden. „Ich hoffe aber, dass es nicht noch mehr Fälle gibt“, so Benker.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Dieses selbst entworfene Wappen war bei „Reichsbürg­er“Wolfgang P., dem Todes schützen von Georgensgm­ünd, überall am Haus zu finden.

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