Augsburger Allgemeine (Land West)
Gibt es ein Leben jenseits der Gruppe?
Eine der existenziellen Fragen der Moderne lautet: Ist jenseits einer WhatsApp-Gruppe Leben möglich? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Wer Angst davor hat, abgeschnitten von der Außenwelt, in einer Art sozialem Gulag dahinzuvegetieren, schließt sich am besten jeder WhatsApp-Gruppe an, die ihm begegnet. In günstigen Fällen kommt das Glück von selbst auf einen zu und nimmt die Verunsicherten mit in die Hunde-, die Tanz-, die Flöten- und die Sportredaktionsgruppe.
Da bleibt dann keiner mehr allein. Im-30 Sekunden-Takt melden die 60 Mitglieder der Hundegruppe ein sicheres Mittel gegen Flöhe oder die neue Nummer aus der Welpendressur. Dazwischen sagt die Flötenlehrerin das Vorspielen bei der Seniorentanzgruppe ab und die Kollegen aus der Redaktion müllen die Gruppe mit einem Disput über die besten Bratwürste in Fußball-Stadien zu.
Natürlich ist das nur die dunkle Seite der WhatsApp-Gruppe. Die andere steht ganz im Dienste der Wissensvermittlung und des privaten sowie beruflichen Workflows. Die Beziehung zur ehemals Allerliebsten oder dem Angetrauten via SMS zu beenden, ist bekanntlich schon lange ein alter Hut. Inzwischen laufen selbst gewichtigere Trennungen über die WhatsAppGruppe. Diese Woche hat Handball-Bundestrainer Dagur Sigurdsson seine Nationalspieler auf diese Weise von seinem bevorstehenden Abschied unterrichtet.
Sigurdsson spart damit viel Zeit, die er in Trainingspläne oder das Einrichten weiterer WhatsAppGruppen investieren kann. Der Isländer wird zukünftig Japans Handballer trainieren, wenn möglich von seiner Heimat aus. Den Japanern sagt er via WhatsApp, wie sie spielen müssen. Der Tag, an dem Jogi Löw für eine Weltmeisterschaft den Schwarzwald nicht mehr verlässt, rückt näher.
Bringe aber keiner die verschiedenen Gruppen durcheinander. Das Hunde-Flohmittel als Empfehlung für das Flöten-Ensemble könnte den Anschluss Suchenden schnell wieder ins soziale Abseits befördern.