Augsburger Allgemeine (Land West)

Jubelt Bierofka auch diesmal?

TSV 1860 Der Interimstr­ainer soll die Münchner bis zur Winterpaus­e stabilisie­ren. Er gilt als der optimale Trainer für den Klub – bis er ihn langfristi­g übernehmen kann, dauert es aber noch

- VON TILMANN MEHL

Augsburg

Daniel Bierofka ist wieder so ein Grund, warum Hasan Ismaik dieses seltsame Land hier nicht verstehen kann. Ein von Paragrafen und Verordnung­en gefesselte­s Land – so empfindet es der Investor der Münchner Löwen. Da hat er den optimalen Trainer für seine Mannschaft, kann den aber nur zeitweise auf die Bank setzen. Weil Bierofka nicht die notwendige Fußballleh­rerLizenz hat, darf er den Zweitligis­ten lediglich bis zur Winterpaus­e trainieren. „Er ist für mich ein Vorbild, eine Leitfigur im Verein“, schrieb Ismaik auf seiner Facebook-Seite über Bierofka.

Dass er eine derart hohe Meinung von dem Interimstr­ainer hat, liegt vor allem in der Schlusspha­se der vergangene­n Saison begründet. Da übernahm Bierofka das Team am 31. Spieltag auf einem Abstiegspl­atz und führte es mit drei Siegen in Folge zum Klassenerh­alt. Eine ähnliche Bilanz wünschen sich die Offizielle­n auch jetzt von dem 37-Jährigen. Der will keine Versprechu­ngen abgeben. „Ich bin kein Hexer oder Magier“, stellt er vorsichtsh­alber fest. Nicht, dass Ismaik noch auf seltsame Ideen kommt. Schließlic­h müssen dem Jordanier die drei Spiele im Frühsommer ähnlich wundersam vorgekomme­n sein wie den Löwen-Fans. Eine komplett verunsiche­rte Mannschaft spielte auf einmal vernünftig­en Zweitliga-Fußball.

Bierofka hätte „gut darauf verzichten können“, erneut als Retter auf das Schild gehoben zu werden. Er hat sich als Trainer der Regionalli­ga-Mannschaft der Münchner wohlgefühl­t. Außerdem versichert er glaubhaft, dass er sich eine andere Entwicklun­g dieser Saison gewünscht hätte. Die war bei Neuzugänge­n wie Ivica Olic, Stefan Aigner oder Karim Matmour auch nicht unwahrsche­inlich. Doch Kosta Runjaic schaffte es nicht, aus einem zumindest soliden Kader eine funktionie­rende Mannschaft zu formen. Gleichwohl hatten die Münchner auch erhebliche­s Verletzung­spech. Auf derartige Unwägbarke­iten des Tagesgesch­äfts hat Ismaik allerdings noch nie Rücksicht genommen. Der Mann denkt großformat­ig und würde es gerne sehen, wenn sein Münchner Fußballver­ein auch endlich danach handeln würde. Leichter wäre das, wenn nicht diese Verordnung­en wären. Wenn er einfach ganz alleine entscheide­n könnte – und nicht immer zarten Druck auf Präsident Peter Cassalette ausüben müsste.

Bei Bierofka hingegen waren sich sämtliche Gremien der Münchner sofort einig. Er soll den trudelnden Klub in den kommenden Wochen stabilisie­ren. Nach der Wundertat in der vergangene­n Saison scheint das tatsächlic­h möglich. Bierofka dürfte als einer der wenigen Trainer dem von Ismaik formuliert­en Anspruch genügen, den Verein zu verstehen. Schon Vater Willi war Spieler bei den Münchnern, später auch Trainer. Noch heute schaut er oft den Profis an der Grünwalder Straße zu, wenn sie trainieren. Auch als sein Sohn am Dienstag erstmals die Übungen leitete, war Papa Bierofka da. Für die Familie ist der TSV 1860 tatsächlic­h mehr als nur ein Verein. Daniel Bierofka startete und beendete hier seine aktive Karriere. Zwischendu­rch spielte er auch für Leverkusen und Stuttgart. Der ganz große Durchbruch blieb ihm allerdings wegen zahlreiche­r Verletzung­en verwehrt. Immer wieder aber kehrte er nach seinen zahlreiche­n Operatione­n zurück auf das Feld.

Obwohl er kaum Erfolge mit dem Klub feierte, „war 60 für mich schon nach dem ersten Spiel der größte Verein auf der ganzen Welt“, sagte er einmal. Ein Satz, der auch vom Investor stammen könnte. Immerhin soll Bierofka diesmal den Profis erhalten bleiben. Wenn die Münchner einen neuen Coach haben, wird er dessen Assistent.

Und die Anmeldung für den nächsten Fußballleh­rer-Kurs hat er zumindest zu Hause. Beim nächsten Löwen-Notfall kann er dann vielleicht langfristi­g eingreifen. Ismaik würde das gefallen.

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Foto: Andreas Gebert, dpa Die Spieler feiern Daniel Bierofka, nachdem der mit ihnen zusammen den Klassener halt geschafft hatte. Nun muss er wieder eingreifen.

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