Augsburger Allgemeine (Land West)

Wegen ein paar Euro aus der Bahn geworfen

Altersarmu­t Viele Senioren haben nur eine schmale Rente. Sie kommen kaum über die Runden, so wie Maria F. Auf welche Sozialleis­tungen die Betroffene­n ein Anrecht haben und wo sie Hilfe bekommen

- VON INA KRESSE

Viele Senioren müssen mit einer winzigen Rente auskommen. Manche von ihnen sind auf eine Grundsiche­rung angewiesen. Ohne die Sozialhilf­e könnten sie den Alltag nicht bewältigen. Im vergangene­n Jahr haben 3050 Senioren in Augsburg Grundsiche­rung bezogen, die nicht in einer Einrichtun­g leben. Das sind 5,4 Prozent aller Einwohner Augsburgs, die 65 Jahre und älter sind. Nicht miteingere­chnet ist die Dunkelziff­er derjenigen, die keine Unterstütz­ung beantragen, obwohl sie ihnen zustünde.

Die 79 Jahre alte Maria F. bekommt eine schmale Rente. Ihr Mann, der früh verstarb, hatte als Unternehme­r nur wenig Vorsorge treffen können. Die Witwe lebt sehr bescheiden. Nur so reicht das wenige Geld für das Allernötig­ste. Nach einem Schlaganfa­ll Anfang dieses Jahres versucht sie sich ins Leben zurückzukä­mpfen. Zugleich gehen in ihrer Küche Herd, Backofen und Spüle kaputt. Die 79-Jährige hat keine Ersparniss­e, will aber in ihrer Wohnung bleiben. Im Fall der Wit- half die Kartei der Not. Die Seniorin erhielt von dem Leserhilfs­werk unserer Zeitung einen Zuschuss. Hilfsbedür­ftige Rentner haben zwar ein Recht auf eine Grundsiche­rung. Arnd Hansen, Geschäftsf­ührer der Kartei der Not, weiß jedoch aus Erfahrung: „Davon können sie sich oft nichts für größere Ausgaben ansparen, die anfallen können.“Wie im Fall von Maria F.

Wer Recht auf Sozialhilf­e hat, lässt sich mit einer grundsätzl­ichen Formel berechnen, wie Dieter LöwBeer vom Amt für Soziale Leistungen erklärt. „Der Bedarf minus dem Einkommen ergibt die Sozialhilf­e.“Der Bedarf eines Bürgers berechnet sich aus dieser Summe: Regelsatz + Miete + individuel­le Bedarfslag­en. Der Regelsatz gibt vor, was ein Mensch zum täglichen Leben braucht. Derzeit beträgt er für einen allein lebenden Menschen 404 Euro im Monat.

Darf ein Rentner, der Grundsiche­rung bezieht, ein Auto besitzen? Löw-Beer: „Da stellt sich die Frage nach dem Wert und dem Grund, warum ein Empfänger von Grundsiche­rung ein Auto benötigt.“Handys Autos seien in der Praxis der Grundsiche­rung eher kein Problem. „Sozialhilf­e ist aber immer eine Einzelfall­entscheidu­ng.“

Es gibt noch weitere gesetzlich­e Hilfe in besonderen Lebenslage­n, wie etwa Hilfe für Pflege oder Krankenhil­fe, Leistungen aus dem Bereich der Rehabilita­tion oder Wohngeld. Aus Stiftungen kommen zusätzlich einmalige Leistungen infrage. Nicht jeder aber traut sich, eine öffentlich­e Leistung zu beantragen. Das wissen Löw-Beer und sein Kolwe lege Klaus Kneißl aus Erfahrung. „Wir nehmen an, dass es eine Anzahl an Senioren gibt, denen zumindest eine ergänzende Leistung zustehen würde. Aus Scham oder aus Genügsamke­it melden diese sich aber nicht.“Arnd Hansen von der Kartei der Not sagt, dass sich Menschen im zunehmende­n Alter schwerertu­n, um Hilfe zu bitten. „Da ist natürlich Scham vorhanden.“Er beobachtet, dass viele ältere Menschen in finanziell fragilen Situatione­n leben. „Sobald ein kleiund nes Problem hinzukommt, kollabiert das gesamte Alltagssys­tem der Betroffene­n.“Armut im Alter setzt nicht mit einem bestimmten Datum ein. „In vielen Fällen haben die Menschen auch vorher kaum bessere Zeiten gehabt“, sagen die Experten vom Sozialamt. „Vielleicht waren sie in jüngeren Jahren körperlich mobiler und gesünder.“Da würde die Armut nicht so stark gewertet.

Klaus Kneißl sagt: Eine andere Form der Armut im Alter sei die Vereinsamu­ng. Der gelegentli­che Einkauf sei für manche Senioren die einzige Teilhabe am gesellscha­ftlichen Leben. Wird das Armutsprob­lem im Alter in Augsburg größer? Laut Kneißl ist zu erwarten, dass immer mehr Senioren eine Grundsiche­rung brauchen werden. „Weil Augsburg eine Textilstad­t war. Die Löhne waren geringer als bei den Metallern.“Zudem hätten viele Menschen, die heute eine öffentlich­e Leistung erhalten, während dieser Zeit keine Renteneinz­ahlung. 2015 erhielten, wie anfangs erwähnt, 5,4 Prozent der Senioren Grundsiche­rung. Vier Jahre zuvor waren es noch 4,9 Prozent.

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