Augsburger Allgemeine (Land West)
Nachricht von Oma Gertrude
Wahlkampf Warum eine 89-jährige Wienerin ihre Stimme gegen Österreichs Rechtspopulisten erhebt
Augsburg
Gertrude wird am 4. Dezember ihre Stimme abgeben. Es geht darum, ob ein Rechtspopulist oder ein Grüner Österreichs nächster Bundespräsident wird. Und es ist möglicherweise die letzte Wahl für „Oma Gertrude“. Sie wird schließlich bald 90. Doch diese Frau hat noch etwas zu sagen. Obwohl sie bis vor kurzem eine ganz normale Wiener „Pensionistin“war, verbreitet sich ihre Videobotschaft im ganzen Land. Denn es sind Worte, die einen kaum kaltlassen können.
Dieser Wahlkampf ist nicht nur einer der längsten (Wahl, Stichwahl, Neuwahl), sondern auch der wohl ekligste, den die Alpenrepublik je gesehen hat. Das politische Klima in Österreich ist vergiftet. Verstörender Tiefpunkt war ein Fernsehduell, in dem die beiden Kandidaten ihrer gegenseitigen Verachtung ungezügelt freien Lauf ließen. Gertrude ist eine alte Frau. Sie könnte sich fragen, was sie das alles noch angeht. Aber sie will sich nicht mit solchen Entgleisungen abfinden. „Die Beleidigung anderen gegenüber, das Runtermachen, das Schlechtmachen, das stört mich am allermeisten“, sagt sie nachdenklich.
Die Rhetorik der Rechtspopulisten um Norbert Hofer erinnert sie an ihre Kindheit. Es war eine grauenhafte Kindheit. Als Gertrude 16 Jahre alt ist, wird sie mit ihren Eltern und den beiden Brüdern nach Auschwitz gebracht. Als der Krieg zu Ende geht, ist sie die Einzige von ihnen, die noch lebt. Die Bilder verfolgen sie für immer.
In den letzten Monaten musste die Wienerin oft an diese Zeit denken. Sie erinnerte sich daran, wie die Juden in ihrer Heimatstadt die Straßen reinigen mussten und Frauen und Männer höhnisch lachend danebenstanden. Heute hat sie wieder das Gefühl, es werde versucht, das „Niedrigste aus den Menschen herauszuholen, nicht das Anständige“. Das macht ihr Angst. Als Gertrude hört, wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache behauptet, ein Bürgerkrieg in Österreich sei „mittelfristig nicht unwahrscheinlich“, wenn die Zuwanderung nicht gestoppt wird, fasst sie einen Entschluss.
Gertrude bezieht Stellung – für den Kandidaten der Grünen, Alexander Van der Bellen. Mit einem öffentlichen Appell versucht sie ihre Landsleute aufzurütteln. „Für mich ist es wahrscheinlich die letzte