Augsburger Allgemeine (Land West)
Magenkrebs ist heilbar
Medizin Helmut Messmann ist Gastroenterologe am Klinikum Augsburg. Er fordert bessere Vorsorgeuntersuchungen in Deutschland
Herr Professor Messmann, Magenkrebs ist zwar nicht eine der häufigsten Krebsarten, aber eine der tödlichsten. Woran liegt das?
Helmut Messmann:
Magenkrebs ist bei Männern die vierthäufigste Krebsart, bei Frauen steht er an sechster Stelle. Das Problem ist, dass wir in ganz Europa keine Vorsorgeuntersuchungen machen. In Japan ist das zum Beispiel anders. Dort macht man eine Magenspiegelung zur Vorsorge, entdeckt den Krebs früher und kann ihn dann entfernen, ohne Operation oder Chemotherapie. Leider bemerken wir hierzulande den Tumor meist erst im Spätstadium, in dem sich oft Metastasen gebildet haben. Dann kann man mit einer Chemotherapie nur noch lebensverlängernde Maßnahmen ergreifen, aber den Krebs nicht mehr heilen. Wenn man sich ansieht, wie viele Patienten über fünf Jahre nach Entdeckung der Erkrankung noch leben, sind das nur 20 Prozent.
Wann und wie häufig müsste man zur Vorsorge gehen, damit es hilft?
Das versuchen wir gerade in einem Pilotprojekt herauszufinden. Dazu wollen wir in ganz Bayern Vorsorgeuntersuchungen durchführen und schauen, wie häu-
Messmann:
fig wir Magenkrebs im Frühstadium überhaupt finden. Außerdem müssen wir Risikopatienten identifizieren. Menschen mit Magenkrebsfällen in der Familie, die rauchen oder bei denen das Bakterium Helicobacter in der Magenschleimhaut nachweisbar ist, haben etwa ein erhöhtes Risiko. Dann müssen wir abwägen, ob die Vorsorgeuntersuchung im Verhältnis zu den Kosten steht. Denn natürlich kostet sie etwas, aber dafür leben die Menschen länger, brauchen keine teure Chemotherapie und ihnen muss der Magen nicht herausoperiert werden. Sie haben eine höhere Lebensqualität.
Das heißt, wenn man Magenkrebs frühzeitig erkennt, ist er heilbar?
Genau. Wir haben in Augsburg europaweit die meisten Magenkarzinome im Frühstadium behandelt. Und von 200 Patienten sind alle bis auf zwei geheilt. Wenn man sich in einem Magenkrebszentrum behandeln lässt, ist die Sterblichkeit also gering.
Messmann:
Zu einem solchen Zentrum möchten Sie Augsburg machen. Was heißt das?
Für ein Zentrum gibt es von der Deutschen Krebsgesellschaft Vorgaben. Das heißt, Chirurgen und Gastroenterologen müssen sich spezialisieren. Außerdem müssen wir gewisse Fallzahlen vorweisen. Chirurgen müssen mindestens 30 Patienten operieren und wir müssen mindestens 30 Patienten im Jahr endoskopisch behandeln. Die Idee ist, dass sich Spezialisten an bestimmten Orten bündeln.
Messmann:
Gerade läuft in Augsburg ein Fachkongress mit rund 1000 Teilnehmern zum Thema Endoskopie. Zu Gast sind auch etliche Japaner. Was können deutsche Ärzte von ihnen lernen?
Wie schon gesagt, ist Japan bei der Vorsorge weiter. Außerdem sind die Japaner besser darin, Magenkarzinome im Frühstadium zu erkennen. Auch bei der Behandlung ist Japan uns fünf Jahre voraus.
Messmann:
Woran liegt dieser Vorsprung?
In Japan tritt Magenkrebs viel häufiger auf als bei uns. Dazu kommt, dass die Technik zur Endoskopie in Japan entwickelt wird. Sie sitzen also an der Quelle.
Interview: Christina Heller
Messmann: