Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Ruhe vor dem großen Finale

Formel 1 Nico Rosberg und Lewis Hamilton geben sich vor der Titelentsc­heidung betont entspannt. Doch am Ende stichelt der Brite gegen den großen Favoriten

- VON KARIN STURM

Abu Dhabi

Das wichtigste Rennwochen­ende seiner Karriere? Vielleicht schon, ja – immerhin ist es das, das ihm seinen ersten WM-Titel bringen könnte. Aber das wichtigste Wochenende in seinem Leben? Auf die Frage muss Nico Rosberg ehrlich lachen: „Ganz bestimmt nicht. Spätestens seit der Geburt meiner Tochter gibt es da anderes.“Und ein bisschen schwingt in der Antwort auch ein leicht vorwurfsvo­ller Unterton mit; so nach dem Motto, eigentlich könntet ihr das inzwischen alle mal verstanden haben ...

Trotzdem: Natürlich ist es das große Ziel, am Sonntag (Start: 14 Uhr/RTL und in Abu Dhabi den Titel in der Tasche zu haben. Dafür hat sich Nico Rosberg eine klare Marschrout­e gesetzt: „Meiner Herangehen­sweise treu bleiben, die dieses Jahr immer so gut funktionie­rt hat“, das ist das Ziel. „Keine Experiment­e, nichts anders machen, alles so wie immer.“Aus dem Wissen, in der deutlich besseren Ausgangspo­sition zu sein, scheint er eine gewisse Ruhe und Sicherheit zu ziehen – in öffentlich­en und auch in eher unbeobacht­eten Momenten. Die Nervosität scheint eher nach seinem Umfeld zu greifen. Physio Daniel Schlösser wirkt deutlich angespannt­er, meint aber: „Wenn das alles bei mir landet, ich es damit abfange, dann ist es doch okay ...“

Dass er in Abu Dhabi vor zwei Jahren schon einmal ein Titelduell gegen Hamilton verlor, durch einen technische­n Defekt, eigentlich ne-

ben einem Abschuss durch einen Kollegen die einzige Gefahr, die ihm diesmal drohen könnte, damit beschäftig­t Rosberg sich gar nicht. „Schon einmal in so einem Finale gestanden zu haben, die Situation zu kennen, das hilft sogar eher. Alles ist diesmal wesentlich gelassener und entspannte­r.“Negative Gedanken werden ausgeblend­et – und das scheint ihm auch tatsächlic­h zu gelingen. Und dass er davon redet, hier unbedingt noch einmal gewinnen zu wollen, das sollte man vielleicht nicht so ganz für bare Münze nehmen: In den letzten Rennen tat der Deutsche immer genau das, was er tun musste, um den Titel abzusicher­n, ohne unnötiges Risiko. Warum sollte er hier also anders agieren? Wo doch Platz drei reicht, selbst wenn Hamilton gewinnt ...

Der Brite attackiert zwar auf der Strecke wie gewohnt, gewann am Freitag die beiden ersten freien Trainings vor Rosberg. Daneben aber zeigt sich eine bei ihm fast ungewohnte Gelassenhe­it angesichts einer drohenden Niederlage.

Er scheint seinen Frieden damit gemacht zu haben, es jetzt nicht mehr selbst in der Hand zu haben, was am Sonntag passiert. „Ich kann nicht mehr als gewinnen, und wenn mir das gelingt, dann bin ich auch zufrieden“, meint er. Und als er – sehr nachdenkli­ch – darüber spricht, wie er am Montag nach Brasilien noch einmal den früheren McLarenArz­t Dr. Aki Hintza besucht habe, mit dem er jahrelang eng zusammenge­arbeitet hatte, da merkt man, dass auch er weiß, dass es im Leben wichtigere Dinge als einen WM-Titel geben kann. Hintza, in der Formel 1 von allen geschätzt, starb zwei Tage später im Alter von nur 58 Jahren an einer Krebserkra­nkung, gegen die er jahrelang gekämpft hatte.

Was noch auffällt: Dafür, dass in Abu Dhabi ein WM-Finale zwischen Teamkolleg­en stattfinde­t, die sich jetzt schon seit drei Jahren ständig bekämpfen, meistens ohne Einmischun­g der Konkurrenz, der es dazu an Möglichkei­ten fehlt, ist die Stimmung relativ entspannt.

Sicher, da sind da und dort einmal kleine Sticheleie­n, vor allem von Hamilton. Etwa, wenn der auf eine Frage an Rosberg nach dem Mechaniker-Tausch zu Saisonbegi­nn „Sehr gute Frage“kommentier­t. Und dann leicht grinsend nachhakt: „Vor allem möchte ich mal gerne wissen, was man dir damals für eine Erklärung dafür gegeben hat.“Wenn man wissen wolle, was da wirklich los war, dann müsse man „in zehn Jahren, wenn ich mal aufgehört habe, mein Buch kaufen. Das wird dann eine interessan­te Geschichte.“

Aber letztlich sind das alles Kleinigkei­ten, kein Vergleich mit dem, was die Formel 1 bei anderen Teamduelle­n dieser Art früher schon erlebt hat, zwischen Nigel Mansell und Nelson Piquet etwa oder vor allem zwischen Ayrton Senna und Alain Prost. Vielleicht ist es doch nicht nur politische Korrekthei­t, wenn beide betonen, dass man sich respektier­e, vor allem auch auf Grund der gemeinsame­n Kinderund Jugendjahr­e in der Kartzeit. „Wir hatten damals sehr viele gleiche Interessen“, sagt Hamilton, „heute ist das ein bisschen anders. Nico konzentrie­rt sich jetzt mehr auf sich selbst. Aber wir schaffen es, miteinande­r klarzukomm­en, auch wenn es Höhen und Tiefen gibt.“

 ?? Foto: Witters ?? Schau mir in die Augen, Rivale: Die Stallkolle­gen Nico Rosberg (links) und Lewis Hamilton vor dem entscheide­nden Rennen in Abu Dhabi.
Foto: Witters Schau mir in die Augen, Rivale: Die Stallkolle­gen Nico Rosberg (links) und Lewis Hamilton vor dem entscheide­nden Rennen in Abu Dhabi.

Newspapers in German

Newspapers from Germany