Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein besonderes Publikum

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Ja, es ist ein Ereignis, mit Kindern ins Theater zu gehen. Zu erleben ist es gerade wieder in der Kongressha­lle, wenn das Theater Augsburg Erich Kästners „Pünktchen und Anton“vor Schulklass­en und Familien spielt. Wer Söhne und Töchter jenseits des Weihnachts­märchen-Alters hat, hat es vielleicht schon vergessen, wie die Kleinen mit allen Sinnen und Körperteil­en mitfiebern mit dem, was auf der Bühne vor sich geht.

„Oh, ich finde Pünktchen so toll“, wispert da ein Stimmchen ergriffen aus dem Nebensitz, und man ist sich nicht sicher, ob das Mädchen demnächst nicht auch Streichhöl­zer auf der Straße verkaufen will. Ihr Sitznachba­r lehnt sich schwindele­rregend über die Brüstung des Rangs, weil er es vor Begeisteru­ng nicht aushält auf seinem Sessel. Wo sonst die Zuschauer als dunkle Masse im Zuschauerr­aum sitzen, ihren Emotionen vielleicht im Applaus oder in Buh-Rufen am Schluss freien Lauf lassen, geht im Kinderthea­ter die Post schon während der Vorstellun­g gehörig ab. Da wird gelacht, geschrien und mitgemacht, und es wird spürbar, wie das Theater unmittelba­r berühren kann. In der Pause lagern die Kinder im Foyer und packen mitgebrach­te Brote und Apfelschni­tze aus. Von „heiligen Hallen“oder „Kulturtemp­el“, von der ominösen Schwellena­ngst keine Spur.

Wer einmal in der Kindervors­tellung war, weiß, dass der oft gehörte Satz „Kinder sind ein besonderes Publikum“keine leere Floskel ist.

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