Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Gewölbekeller muss das Gefängnis gewesen sein
Unabhängig vom Namen hat Hubert Droste vor allem eins: einen Arbeitsplatz, der an Charme und Wohlfühlatmosphäre nur schwer zu überbieten ist.
Das interessierte Auge erkennt hier auf jedem Schritt die Zeichen der Vergangenheit. An einer Säule im Eingangsbereich hängt ein Schild mit der Aufschrift „Königliches Forstamt Zusmarshausen“, im Besprechungsraum im Erdgeschoss hängt eine historische Karte an der Wand. Quer durchs Haus führt eine knarrende Holztreppe. Auch der Holzboden in den gemütlich gestalteten Büroräumen knarzt, als würde er von anno dazumal berichten wollen.
Doch Hubert Droste verwehrt sich dem Blick in die Vergangenheit – zumindest dann, wenn es um ominöse Gruselgeschichten gehen soll. Natürlich kennt er aus Geschichtsbüchern die Ergebnisse der Rechtsprechungen, die auf eben diesem Grund und Boden verhängt wurden, doch zeigt ein Blick in eben diese Bücher auch: Die Liste derer, die beispielsweise wegen Diebstahl gehängt wurden, ist im Vergleich zu den Dinkelscherbern vergleichsweise kurz. Präsent wird die Geschichte eben dieser Zusmarshauser Bösewichte nur selten, obgleich der Gewölbekeller des Schlosses einst der Gefängnistrakt gewesen sein muss. Dass auch hier nicht mehr alles aus der Vergangenheit stammen kann, verraten beispielsweise die Ziegelsteine, aus der die Treppe ins Untergeschoss gemauert ist und die es um 1500 noch gar nicht gegeben haben kann.
Heimeliger sind indes die Büroräume im ersten und zweiten Obergeschoss. In letzterem war früher die Amtsleiterwohnung. Heute arbeitet ein Teil der rund 60 Mitarbeiter in den Räumen. Vom Purismus eines Großraumbüros ist hier keine Spur. Vielmehr gibt es auch dort viele Details zu entdecken, die an die Vergangenheit erinnern. So zeigt die Form der Fensteraussparungen, dass hier einst Fenster gewesen sein müssen, die oben gebogen waren. Heute erinnert daran nur noch das Mauerwerk. Und auch im Eingangsbereich des Schlosses fällt dem historisch interessierten Auge ein spannendes Detail auf: Die Wand ist hier gut einen Meter dick. „Davon wir insbesondere im Sommer“, verrät Hubert Droste und erklärt, dass das Klima in dem alten Gebäude ganzjährig gut ist und es gerade in heißen Sommern angenehm kühl bleibt.
Sein ganz persönlicher Lieblingsplatz im Schloss ist die gemütliche Sitzecke in seinem Büro, die perfekt in den Erker passt. Von dort aus hat man einen schönen Blick auf den Schlosspark – und „man kann den Wandel der Jahreszeiten von hier aus beobachten“, schwärmt der Forstbetriebsleiter. Auch sind eben diese Bäume vor seinem Bürofenster natürliche Zeitzeugen.
Eine Aufnahme vor der Übernahme des Schlosses durch das Forstamt Zusmarshausen im Jahr 1931 zeigt drei Linden, wovon heute noch zwei zu sehen sind. Mehr jedoch ist auf der historischen Aufnahme von 1929 nicht zu sehen. Der Walnussbaum, auf den der heutige „Schlossherr“blickt, die Lärche und die Schwarzkiefer erscheinen zwar heute mächtig groß, doch waren sie damals noch gar nicht Teil der Anlage oder zumindest noch in keiner nennenswerten Größe zu sehen gewesen.
Und in eben diesem Punkt tut es das große Team der Bayerischen Staatsforsten, die im Schloss oder im Außendienst arbeiten, den Fürstbischöfen von einst gleich: Sie erschaffen etwas, was in Jahrzehnten geerntet werden kann. Oder andersherum gedacht: „Wir ernten heute das, was vor Jahrzehnten begonnen wurde“, beschreibt Hubert Droste fast schon ein wenig philosophisch das, was seine Arbeit im Forst ausmacht.
Dabei ist sich der Forstbetriebsleiter der großen Verantworprofitieren
tung, die das „historische Juwel“mit sich bringt, durchaus bewusst. Zwar fand die 500-Jahr-Feier des Schlosses nicht pünktlich zum Start der Bayerischen Staatsforsten im Jahr 2005 statt, sondern erst im Jahr 2011, allerdings war dies den Umstrukturierungen geschuldet und auch dem Willen, zunächst einige Reparaturen durchzuführen. Im kommenden Jahr soll es übrigens eine Wiederauflage des Schlossfestes geben gemeinsam mit ZusKultur, dem Kulturkreis der Marktgemeinde. Und nicht nur das. Auch die Renovierung der Fenster steht an. Doch auch dafür hat Hubert Droste schon eine Idee, der Historie treu zu bleiben und den Faktor Wald mit ins Spiel zu bringen. Die 90 Fenster im Haupt- und Nebengebäude sollen aus Eichenholz gefertigt sein. Der besondere Clou dabei ist, dass ein Betrieb in der Region gefunden wurde, der die Eichen aus dem eigenen Wald zur Herstellung der neuen Fenster verwenden wird.
Zudem möchte er bis zum großen Fest noch ein paar Rätsel lösen, die sich aktuell noch ums Schloss ranken. „Wie alt der mächtige Dachstuhl ist, weiß keiner“, verrät er. Allerdings soll eine besondere Untersuchung des dort verbauten Holzes Aufschluss darüber geben und eben dieses Rätsel lösen.
Wann genau das Nebengebäude entstanden ist, ist leider ebenfalls noch eine Lücke in der Geschichte des Schlosses. Doch auch wenn das Schloss das eine oder andere Geheimnis noch für sich behält, so wird es doch eines bleiben: ein ganz besonderer (Arbeits-)Ort.