Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie war das Berufsjahr 2016?
Psychologie Warum es sich lohnt, einen Abend lang nur über den Job nachzudenken. Tipps für ein besseres 2017
Berlin/München
Einen Abend lang über das vergangene Berufsjahr nachdenken – ein Luxus, für den sich viele kurz vor Weihnachten keine Zeit nehmen. Doch Experten sind sich sicher: Bei so einem Jahresrückblick gibt es viel zu gewinnen. Berufstätige wissen hinterher häufig mehr darüber, woher Stress und Belastungen im Job rühren. Und ihnen ist klarer, wann sie mit ihrer Arbeit zufrieden sind. „Mit seinem Auto geht man auch zur Inspektion, um zu verhindern, dass es kaputtgeht“, sagt Professor Kornelia RappeGiesecke, die zum Thema Karriere und Karriereberatung forscht. Ein systematischer Jahresrückblick lohnt sich also. Doch wie geht man ihn am besten an?
Ideal sei, bei der Reflexion drei Schritte zu machen, sagt der Karriereberater Sascha Schmidt aus München. Im ersten geht es um den Faktencheck. „Da sollte man einfach mal runterschreiben, was man gemacht hat.“Der zweite Schritt ist der emotionale Lebenslauf. Dabei überlegt man, wie man sich bei der Arbeit gefühlt hat. Im dritten Schritt überprüft man seine Persönlichkeit. „Man sollte hinterfragen: Was bremst mich aus? Was treibt mich voran?“, rät der Experte.
Ergänzend dazu können auch diese Fragen helfen: Was ist für mich eine Belohnung? Was ist für mich ein Horrortag? Was ist für mich Erfolg? „Die Antworten auf diese Fragen kann man dann abgleichen mit dem, was man im vergangenen Jahr erlebt hat“, sagt Rappe-Giesecke. Falls das Ergebnis eher negativ ausfällt, sollten Berufstätige fortfahren und weitere Fragen beantworten: Wie sieht mein idealer Arbeitsplatz aus? Gibt es eine bestimmte Branche, in der ich mich besonders wohlfühle? „Dies kann man dann wieder mit dem Erlebten abgleichen und erhält so eine präzisere Analyse“, erläutert Rappe-Giesecke.
Dabei biete sich an, in Quartalen zu denken, empfiehlt der WorkLife-Coach Carsten Alex. Denn oft würden Berufstätige im Rückblick viele Details vergessen. Um das zu vermeiden, sei es hilfreich, sich ein Notizbuch zuzulegen, rät er. Nach dem Rückblick habe man oft schon eine Idee, was man verändern möchte. Doch viele wissen auch, wie schwierig es sein kann, diese auch umzusetzen. Daher müsse man zunächst lokalisieren, was genau man verändern möchte, sagt Alex. Sind es die Arbeitszeiten, das Gehalt oder die Zusammenarbeit mit dem Chef?
Schmidt warnt jedoch eindringlich davor, gleich einen radikalen Schnitt zu machen und zum Beispiel den Job zu wechseln, wenn man unzufrieden ist. Stattdessen rät der Karriereberater, einen Plan B durchzuspielen. Berufstätige sollten sich fragen: Was wäre, wenn ich den Job nicht mehr hätte? Was würde ich dann machen? Wo würde ich mich bewerben? Wer sich seines Plans B bewusst sei, setze eher Grenzen und sehe die Realität häufig ein Stück gelassener.
Wer weiß, was er verändern möchte, aber befürchtet, dass er sich nicht an die guten Vorsätze hält, kann auch einen Vertrag mit sich selbst schließen. „Dabei schreibe ich auf, was ich erreichen will und wie viel Zeit ich mir selbst gebe, um es zu erreichen“, sagt Rappe-Giesecke. Wichtig sei jedoch, sich nicht zu viel vorzunehmen, sagt WorkLife-Coach Alex. Pro Quartal sei ein Ziel ausreichend. Und in jedem Fall sollte man mit den einfachsten Vorhaben beginnen, rät der Experte und fügt hinzu: „Mitte des Jahres zieht man eine Zwischenbilanz und korrigiert gegebenenfalls.“
Doch noch mal einen Schritt zurück: Wo macht man so einen Jahresrückblick am besten? Und mit wem? Berufstätige sollten sich auf jeden Fall ausreichend Zeit nehmen und dafür einen Ort der Ruhe finden, rät Work-Life-Coach Alex. Das kann zum Beispiel eine Bibliothek oder ein Museum sein. Ob man den Rückblick gemeinsam oder alleine macht, sei Geschmackssache. Mit einem Freund habe man eine externe Meinung und könne sich dem Thema besser nähern, meint Schmidt. Keine gute Idee sei jedoch, den Partner zu Hause zu befragen, da der einem zu nahe steht. Eines sollte aber auch klar sein: Veränderungen bedeuten Arbeit. Wer langfristig eine Verbesserung erzielen will, sollte auch langfristig denken. Regelmäßige jährliche Rückblicke helfen dabei.