Augsburger Allgemeine (Land West)

Vom Burgerbrat­er zum Chef-Lobbyisten

Porträt Dieter Kempf führt künftig den mächtigste­n deutschen Wirtschaft­sverband. Seine Karriere begann einst in einer Münchner McDonald’s-Filiale

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Tagsüber im Hörsaal studieren, abends bei McDonald’s im Schichtdie­nst arbeiten: So begann der Diplomkauf­mann Dieter Kempf seinen Aufstieg zum TopIndustr­ielobbyist­en Deutschlan­ds. Gestern wurde der 63-jährige ITExperte zum neuen Präsidente­n des Bundesverb­ands der deutschen Industrie (BDI) gewählt. Zum Jahreswech­sel löst er den Unternehme­r Ulrich Grillo ab. Als Chef des mächtigste­n deutschen Wirtschaft­sverbands soll der ehemalige Vorstandsc­hef die Konzerne hierzuland­e fit für die „Industrie 4.0“machen – also für die Digitalisi­erung und Vernetzung der Produktion.

Der Steuerbera­ter und frühere Wirtschaft­sprüfer mit dem grauen Schnauzbar­t kennt sich mit Informatio­nstechnik aus und hat Erfahrunge­n als Manager und Lobbyist. Der gebürtige Münchner war 25 Jahre im Vorstand des Nürnberger IT-Dienstleis­ters Datev tätig – 20 Jahre davon als Vorstandsv­orsitzende­r. Dort trug er unter anderem die Verantwort­ung für die Produktund Softwareen­twicklung. Daneben führte er von 2011 bis 2015 den Telekommun­ikations-Branchenve­rband Bitkom an und war in dieser Zeit auch BDI-Vizepräsid­ent. Kempf gilt auch als einer der Väter des Finanzamt-Portals „Elster“und berät die Bundesregi­erung zu Cyber-Sicherheit und Datenschut­z.

Der verheirate­te Familienva­ter ist als streitbare­r Geschäftsf­ührer bekannt. Seine Gegenseite verhandelt er nach eigener Aussage gern mal müde oder haut mit der Faust auf den Tisch, wenn es „bedarfsori­entiert ist“, wie er selbst sagt. Er könne auch cholerisch sein, gibt Kempf offen zu. Wichtig sei ihm seine Unabhängig­keit. Daher habe er auch kein Parteibuch. In seiner Freizeit ist der Oldtimer-Liebhaber als Sänger und Gitarrist in einer Band aktiv. Darüber hinaus spielt der passionier­te Ski- und Motorradfa­hrer gerne Golf. Seine berufliche Karriere startete Kempf im Jahr 1971 im ersten deutschen McDonald’s-Lokal im Münchner Arbeitervi­ertel Giesing. Dort begann er mit 18 Jahren einen Nebenjob und stieg nach abgeschlos­senem Abitur und Wehrdienst während seines BWLStudium­s an der LudwigMaxi­milians-Universitä­t bis zum Filialleit­er auf. Später wechselte er für eineinhalb Jahre in die Verwaltung der amerikanis­chen FastFood-Kette. „Weil sich Schichtdie­nst und Diplomarbe­it nicht vertragen haben“, verriet er einmal in einem Interview mit dem Handelsbla­tt, in dem er McDonald’s auch als „brillantes Unternehme­n“lobte.

Nach seinem Studium arbeitete Kempf dann zunächst beim deutschen Ableger der US-Wirtschaft­sprüfergru­ppe Arthur Young, wo er unter anderem als EDV-Prüfer und zuletzt als Mitgesells­chafter und Geschäftsf­ührer tätig war, ehe er 1991 zu Datev wechselte. Seit 2005 ist Kempf zudem Honorarpro­fessor für Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Universitä­t Erlangen-Nürnberg. Seit vergangene­m Jahr ist er auch Vorsitzend­er der Hochschule Ansbach. Andreas Schnurrenb­erger

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