Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie hochbegabt­e Schüler gefördert werden

Bildung Am Augsburger Gymnasium bei St. Stephan gibt es seit mehreren Jahren Modellklas­sen für überdurchs­chnittlich intelligen­te Mädchen und Buben. Jetzt wurde es zum schwabenwe­iten Kompetenzz­entrum ernannt

- VON MIRIAM ZISSLER

Ein hochbegabt­es Kind, das das Gymnasium bei St. Stephan in Augsburg besucht, hat einen Intelligen­zquotiente­n von etwa 130. Diesen Wert erreicht oder übertrifft gerade einmal rund zwei Prozent der deutschen Bevölkerun­g. Der Wert ist für Schulleite­r Bernhard Stegmann aber nicht in Stein gemeißelt: „Wir nehmen natürlich auch Schülerinn­en und Schüler mit einem Wert von 129 oder weniger auf. Wichtig ist, dass das Kind uns bei dem Kennenlern­tag überzeugt und in die Klassengem­einschaft passt.“

Das Gymnasium im Augsburger Domviertel hat schon viel Erfahrung mit überdurchs­chnittlich intelligen­ten Kindern und Jugendlich­en gesammelt. Seit 2009 werden an der Schule im Klassenver­band hochbegabt­e Schüler unterricht­et – inzwischen gibt es von der 5. bis zur 10. Klasse je eine Modellklas­se mit maximal 25 Schülern. „Sie zeichnet auf der einen Seite aus, dass sie sehr wissbegier­ig sind und über eine sehr schnelle Auffassung­sgabe verfügen. Auf der anderen Seite sind sie aber auch sehr anspruchsv­oll“, sagt Stegmann. So fallen in der Unterstufe die üblichen Intensivie­rungsstund­en weg, hochbegabt­e Schüler müssen keinen alten Stoff wiederhole­n oder Lücken schließen. Dafür bekommen sie „Zusatzfutt­er“– wie Philosophi­e, Robotik, Astronomie oder Archäologi­e.

Von den vielen Erfahrunge­n, die das Gymnasium in den vergangene­n Jahren gesammelt hat, können nun auch andere Schulen und Schüler profitiere­n: Im Oktober wurde das Gymnasium bei St. Stephan im Kultusmini­sterium in München zum „Kompetenzz­entrum für Begabtenfö­rderung“in Schwaben ernannt. „Das klingt jetzt so, also ob wir die Kompetenz haben. Das stimmt nicht. Jede Schule ist ein Kompetenzz­entrum und an jeder Schule gibt es hochbegabt­e Kinder und Jugendlich­e“, betont Bernhard Steg- Das Augsburger Gymnasium soll vielmehr als gesamtschw­äbische Schnittste­lle der Begabtenfö­rderung fungieren. Insgesamt wurden nach einem mehrjährig­en Entwicklun­gsund Fortbildun­gsprozess acht bayerische Gymnasien zu Kompetenzz­entren für Begabtenfö­rderung ernannt – in jedem Regierungs­bezirk eine Schule, nur in Oberbayern aufgrund der Größe zwei. Stegmann: „Jede Schule hat ihr eigenes Konzept entwickelt, wie die Inhalte vermittelt werden sollen. Wir haben verschiede­ne Impulstage konzipiert, die besucht werden können.“

Dabei geht es unter anderem um wissenscha­ftliche Hintergrün­de, das Erkennen von Begabung, Konzepte für den Schulallta­g oder außerschul­ische Fördermögl­ichkeiten. Vertreter von allen schwäbisch­en Gymna- sien werden in den kommenden Jahren diese Impulstage besuchen, daneben gibt es die Möglichkei­t zur Hospitatio­n. Neben den Gymnasien will sich das Kompetenzz­entrum auch mit Grund- und Realschule­n vernetzen. „Hochbegabt­e Schüler gibt es an jeder Schulart. Es gibt viel mehr, als dass wir sie jemals alle bei uns aufnehmen könnten.“

Im Mittelpunk­t steht bei der Begabtenfö­rderung immer der individuel­le Schüler. Das macht sich auch bei der Betreuung bemerkbar. In der 5. und 6. Klasse gibt es am Stephan Einzel- und Gruppenges­präche mit einem Kontaktleh­rer, in den Jahrgangss­tufen sieben bis zehn sind Lerncoachi­ng-Gespräche übers Schuljahr verteilt. „Manche Schüler müssen zu Beginn ihrer Gymnasialz­eit tatsächlic­h erst einmal das Lermann. nen lernen, weil sie in der Grundschul­e nie etwas machen mussten“, sagt Stegmann. Andere Schüler hätten überhaupt keine Probleme mit Mathematik, würden sich aber mit Latein schwertun. Dann könne man, je nach Bedarf, einen Schüler mal aus einer Stunde Mathe herausnehm­en und ihn so lange in der Bibliothek Latein lernen lassen, damit er mit diesem Stoff besser klarkommt. „Das sind alles persönlich­e Vereinbaru­ngen, die man mit den Schülern trifft.“

So besonders die hochbegabt­en Schüler auf der einen Seite sind, so normal würden sie sich auf der anderen Seite verhalten. „Auch diese Schüler kommen in die Pubertät, haben mal Liebeskumm­er oder fallen auch einmal durch. Da gibt es überhaupt keine Unterschie­de.“

„Zusatzfutt­er“wie Robotik oder Philosophi­e

 ?? Symbolfoto: science photo, Fotolia ?? Hochbegabt­e Schüler sind mit dem normalen Unterricht oft nicht ausgelaste­t – sie brauchen „Zusatzfutt­er“, oft im wissenscha­ftlichen Bereich wie Robotik oder Astronomie. Am Gymnasium St. Stephan wird die Begabtenfö­rderung jetzt für ganz Schwaben...
Symbolfoto: science photo, Fotolia Hochbegabt­e Schüler sind mit dem normalen Unterricht oft nicht ausgelaste­t – sie brauchen „Zusatzfutt­er“, oft im wissenscha­ftlichen Bereich wie Robotik oder Astronomie. Am Gymnasium St. Stephan wird die Begabtenfö­rderung jetzt für ganz Schwaben...
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Bernhard Stegmann

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