Augsburger Allgemeine (Land West)
Freispruch dank Verlobung
Prozess Eine 47-Jährige wollte ihren Freund vor einer Verhaftung bewahren. Der Satz „wir sind verlobt“ändert alles
Es war ein wahrlich kurzer Prozess, der nicht einmal zehn Minuten in Anspruch nahm. „Wir sind verlobt“hieß nämlich die Zauberformel, die für eine 47-jährige Frau im Eiltempo zu einem glatten Freispruch führte. Auf Kosten der Staatskasse, versteht sich.
Nach einem Polizeieinsatz im Februar sah sich die Angeklagte dem Vorwurf der versuchten Vollstreckungsvereitelung ausgesetzt. Vier Polizisten hatten damals den Freund (oder Lebensgefährten) der 47-Jährigen verhaften wollen, da dieser zwei kurze Gefängnisstrafen nicht angetreten hatte. Die Beamten klingelten an der Wohnungstüre. Weil keine Reaktion kam, wurde die Tür gewaltsam geöffnet. Die 47-Jährige (Verteidiger: Jörg Seubert) gab sich ahnungslos, erklärte, ihr Freund sei nicht da. Die Polizisten ließen sich nicht täuschen. Sekunden später wurde der gesuchte 34-Jährige hinter der Küchentüre aufgespürt und in den Knast gebracht. Jetzt im Prozess vor Amtsrichterin Rita Greser räumte die Frau zwar das Geschehen ein. Aber: „Wir sind schon seit der Neujahrsnacht 2010 verlobt“, beteuerte die Angeklagte. Beim Raketenschießen habe man sich die Ehe versprochen. „Und warum haben sie noch nicht geheiratet?“, wollte die Richterin wissen. Ja, ihr Verlobter sei halt „ab und zu mal in Haft“gewesen. Und seine Geburtsurkunde müsse er auch noch in seiner Heimat Polen holen.
Unisono berichtete der Verlobte, inzwischen wieder auf freiem Fuß, dem Gericht vom Verlöbnis in der Silvesternacht. Das der Justiz nun nachträglich bekannt gewordene Verlöbnis (Gegenteiliges war nicht zu beweisen) hatte rechtliche Folgen. Einmal musste der Verlobte nicht als Zeuge über das damalige Tatgeschehen aussagen. Weit erfreulicher für das Paar war aber, dass Verlobte im rechtlichen Sinne als Angehörige gelten. Und bei verschiedenen Straftaten genießen Verlobte, Ehepartner, Geschwister, Kinder oder Eltern einen besonderen Schutz. So auch bei der Strafoder Vollstreckungsvereitelung. Wer also solch eine Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, bleibt straffrei. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber Angehörige vor Gewissenskonflikten bewahren. Im Fall der 47-Jährigen war ein Freispruch die logische Konsequenz. Weil das Paar zur Tatzeit schon verlobt war, konnte die Tat nachträglich nicht sanktioniert werden.