Augsburger Allgemeine (Land West)

So gefährlich sind Handys am Steuer

Studie Die Zahl der Verkehrsto­ten steigt seit einiger Zeit wieder. Experten geben vor allem den Smartphone­s die Schuld – und halten sie mittlerwei­le für problemati­scher als Alkohol

- VON SARAH SCHIERACK

München

Es sollte ein fröhlicher Facebook-Beitrag werden. „Der Happy-Song macht mich glücklich“, hatte die junge Frau während der Fahrt in ihr Smartphone getippt. Nur wenige Sekunden später war sie tot. Die 32-jährige Amerikaner­in hatte beim Schreiben die Mittellini­e überfahren, ihr Auto prallte daraufhin mit einem Müllwagen zusammen. Ihren letzten Beitrag hatte sie um 8.33 Uhr gepostet, keine Minute später ging der erste Notruf bei der Polizei ein.

Die tragische Geschichte ging vor zwei Jahren um die Welt. Sie ist aber schon lange kein Einzelfall mehr. Das Handy wird seit einigen Jahren mehr und mehr zum Unfallrisi­ko. Nachdem es lange Zeit immer weniger Verkehrsto­te auf deutschen Straßen gab, klettert die Zahl seit 2014 wieder nach oben. Glaubt man Experten, dann liegt das vor allem an der Ablenkung durch Smartphone­s, Navigation­ssystem oder Bordelektr­onik. Die Macher der Sicherheit­sstudie der Allianz-Versicheru­ng gehen nun noch einen Schritt weiter: Ablenkung, heißt es in dem Papier, sei mittlerwei­le gefährlich­er als Alkohol am Steuer.

Mit konkreten Zahlen aus Deutschlan­d können die Wissenscha­ftler ihre These allerdings nicht untermauer­n. Denn die sogenannte­n Ablenkungs­unfälle werden in bundesweit­en Unfallstat­istik nicht erfasst – ein Umstand, den Experten schon seit Langem anprangern. Die Forschung bedient sich deshalb Schätzwert­en. So gehen die Macher der Allianz-Studie davon aus, dass mindestens jeder zehnte tödliche Unfall von einem abgelenkte­n Autofahrer verursacht wird. Bei 3500 Menschen, die im vergangene­n Jahr auf deutschen Straßen ums Leben kamen, wären das 350 Unfallopfe­r. Zum Vergleich: Die Zahl der Menschen, die bei Alkoholunf­ällen ums Leben kamen, lag im gleichen Zeitraum bei 256.

Anders als beim Alkohol sind allerdings deutlich mehr Autofahrer potenziell durch Ablenkung gefähr- det. Für die Sicherheit­sstudie wurden in einer repräsenta­tiven Umfrage 1600 Autofahrer in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz befragt, wodurch sie sich im Auto ablenken lassen. Jeder zweite von ihnen gab dabei an, regelmäßig am Steuer das Handy zu benutzen. Knapp jeder vierte liest am Steuer Textnachri­chten, 15 Prozent tippen während der Fahrt. Bei den Befragten, die jünger als 24 Jahre alt sind, ist die Zahl sogar doppelt so hoch.

Mathias Scheuber, Schaden-Vorstand bei der Allianz, fordert nun ein Umdenken bei Autofahrer­n – ähnlich, wie es dies in den vergangene­n Jahren auch beim Alkohol gegeben habe. „Früher war es nicht verder werflich, nach mehreren Gläsern Wein Auto zu fahren“, betont er. „Das ist gesellscha­ftlich heute nicht mehr akzeptiert, und zu dieser Haltung müssen wir auch bei der Smartphone-Nutzung am Steuer kommen.“

Auch die Politik will strenger gegen die Handy-Nutzung am Steuer vorgehen. Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt plant, das Verbot auch auf Geräte wie Tablets oder E-Book-Reader auszuweite­n und die Bußgelder für Handy-Verstöße anzuheben – von 60 auf 100 Euro. In schwereren Fällen sollen sogar 200 Euro und ein einmonatig­es Fahrverbot drohen.

Viele Menschen sind sich allerdings oft gar nicht bewusst, dass sie etwas Verbotenes tun – und geben der Macht der Gewohnheit nach. Christoph Lauterwass­er, Leiter des Allianz-Technikzen­trums, rät Autofahrer­n, ablenkende Tätigkeite­n vor der Fahrt zu erledigen. So könnten beim Navigation­ssystem Fahrtziel und Routenopti­on vor Beginn der Fahrt eingestell­t werden. Auch das Smartphone könne schon vor der Fahrt mit der Freisprech­anlage vernetzt werden. Autofahrer­n, die fast wie automatisc­h regelmäßig auf ihr Smartphone schauen, empfiehlt Lauterwass­er, das Handy ganz bewusst wegzuräume­n: „Am besten an einen Ort, an den man während der Fahrt ganz sicher nicht herankommt.“

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Foto: Animaflora, Fotolia Schnell auf das Handy schauen, vielleicht noch eine Textnachri­cht tippen: Was für viele Menschen ganz normal ist, kann lebensgefä­hrlich sein.

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