Augsburger Allgemeine (Land West)

„Die Hauptmotiv­ation von Cyber Angriffen ist Geld“

Interview Andreas Seiler von der Hochschule Augsburg erklärt, was beim Telekom-Angriff hätte passieren können und wie sich Verbrauche­r schützen

-

Herr Seiler, Sie sind Mitarbeite­r bei der Forschungs­gruppe für IT-Security und Digitale Forensik der Hochschule Augsburg, beschäftig­en sich also tagtäglich mit Sicherheit im Internet und Cyber-Kriminalit­ät. Was ist bei dem Hackerangr­iff auf die Deutsche Telekom passiert?

Andreas Seiler:

Die technische­n Details sind öffentlich nicht bekannt. Grundsätzl­ich ist es so, dass bei den Routern verschiede­ne Schnittste­llen nach außen offen sind. Die Angreifer haben versucht, über so eine Schnittste­lle ein schädliche­s Programm auf einzelne Geräte aufzuspiel­en. Das ist aber anscheinen­d nicht gelungen: Die Schadsoftw­are hat wohl nicht komplett funktionie­rt, aber Störungen verursacht.

Was hätte sonst passieren können?

Es ist am wahrschein­lichsten, dass die Angreifer ein sogenannte­s Bot-Netzwerk aufbauen wollten. Das bedeutet, man übernimmt die Geräte und steuert sie von einer zentralen Stelle aus. Dadurch kann man unter anderem Anbieter von Internetse­iten angreifen. Wenn wirklich eine Vielzahl an Routern übernommen worden wäre und man lässt alle

Seiler:

Geräte zum Beispiel gleichzeit­ig auf eine Internetse­ite zugreifen, kann dies den Server überlasten und zum Absturz bringen. Wenn man dieses Vorgehen dann bei Internetsh­ops wie Amazon anwendet, kann dem Unternehme­n ein hoher Schaden entstehen.

Gibt es ein weiteres Szenario?

Grundsätzl­ich kommt es immer darauf an, welche Intention die Angreifer verfolgen. Rein technisch wäre es auch möglich gewesen, private Daten vom Router abzuziehen. Da es bei der Telekom aber ein sehr breit angelegter Angriff war, ist das komplett unwahrsche­inlich.

Seiler:

Wer könnte dahinterst­ecken?

Es gibt momentan keine großen Indizien. Grundsätzl­ich ist es in den allerwenig­sten Fällen nachweisba­r, weil die Angreifer über Umwegen auf ihr Ziel zugreifen oder sich einen externen Server irgendwo auf der Welt dafür anmieten.

Seiler:

Welche Arten von Angreifern gibt es?

Es gibt unterschie­dlichste Einteilung­en von Angreifern. Zum Beispiel die „Scriptkidd­ies“: Menschen,

Seiler:

die das nur einmal ausprobier­en wollen oder das aus jugendlich­em Leichtsinn machen. Bei Angriffen wie bei der Telekom stecken häufig kriminelle Gruppierun­gen dahinter. Denn die Hauptmotiv­ation hinter den meisten Cyber-Angriffen ist Geld.

Warum sind anscheinen­d viele Unternehme­n zu wenig geschützt?

Das ganz allgemeine Problem ist, dass IT-Sicherheit für jedes Unternehme­n, das Dienstleis­tungen anbietet oder Produkte macht, im ersten Moment keinen Mehrwert bringt und erst einmal kostet. Das zweite Problem ist, dass Lösungen und Produkte meistens sehr komplex sind. Ein Router zum Beispiel entsteht aus einer langen Wertschöpf­ungskette. Sicherheit über mehrere Beteiligte hinweg zu koordinier­en, ist oft schwierig.

Seiler:

Wie können sich Unternehme­n schützen?

Seiler:

Das Beste ist, von Anfang an proaktiv mit dem Thema IT-Sicherheit umzugehen. Eigene Produkte sollten immer auch extern getestet werden. Vor kurzem wurde das ITSicherhe­itsgesetz verabschie­det. Am Schluss muss jedes Unternehme­n eine Balance finden: Was ist die potenziell­e Gefährdung für mein Unternehme­n und welche Ressourcen kann ich dem entgegense­tzen?

Was kann man als Verbrauche­r tun?

Das ist natürlich ein großes Feld. Es ist wichtig, dass man sich mit der Technik, die man nutzt, auseinande­rsetzt – zum Beispiel Standardei­nstellunge­n ändert, sich sichere Passwörter zulegt und irgendwelc­hen Anfragen, Internetse­iten und E-Mails mit einem gesunden Misstrauen entgegensi­eht. Also nicht wild auf irgendwelc­he Links klicken, sondern die Echtheit verifizier­en.

Seiler:

Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat sich nach dem Vorfall bei der Deutschen Telekom über mögliche Angriffe auf sogenannte sensible Infrastruk­tur besorgt gezeigt. Was bedeutet „sensible Infrastruk­tur“?

Wir machen uns mit der Nutzung von IT-Technologi­en natürlich abhängig von der darunterli­egenden Infrastruk­tur. Alleine wenn man die Energiever­sorgung betrachtet. Auch

Seiler:

dort werden IT-Systeme eingesetzt. Wenn solche Infrastruk­turen angegriffe­n werden, wirkt sich das auf eine Vielzahl von Menschen aus.

Müssen wir damit rechnen, dass Hackerangr­iffe zunehmen werden?

Definitiv ja. Wir wickeln immer mehr Sachen über das Internet ab, die Angriffsfl­äche verbreiter­t sich deshalb. Man darf das aber auch nicht alles zu schwarz malen.

Seiler:

Brauchen wir schärfere Sicherheit­sstandards?

Auf der einen Seite ja, weil damit gewährleis­tet wird, dass Unternehme­n und Hersteller in einer gewissen Weise dazu gezwungen werden, sich um die Sicherheit zu kümmern. Außerdem gibt man ihnen damit eine Hilfestell­ung, weil sie mit dem Standard einen Bezugspunk­t haben. Das ist aber auch das Problem: Standards werden immer nur eine Mindestanf­orderung sein. Man muss jeden Fall einzeln betrachten.

Seiler:

Es gab ja schon mehrere Cyber-Angriffe auf Krankenhäu­ser, im April wurde ein Computervi­rus im Atomkraftw­erk Gundremmin­gen gefunden. Ist überhaupt noch irgendein Bereich vor solchen Angriffen gefeit?

Mit dem Wort Cyber-Angriff muss man vorsichtig sein. In Gundremmin­gen war es zum Beispiel nur eine „normale“Infektion mit Schadstoff­software. In der IT-Sicherheit würde man das noch nicht als gezielten Angriff werten. Rein aus technische­r Sicht gilt: Überall, wo mit Computern gearbeitet wird, ist es theoretisc­h möglich, Angriffe durchzufüh­ren. Es ist aber noch einmal etwas ganz anderes, ob man nur einen Router übernehmen will oder Kühlmechan­ismen eines Atomkraftw­erks lahmlegen. Außerdem sorgen dort auch noch manuelle Mechanisme­n für Sicherheit.

Interview: Ariane Attrodt

Seiler:

O

Andreas Seiler ist Mitar beiter der For schungsgru­ppe IT Security und Digi tale Forensik an der Hochschule Augs burg. Derzeit forscht er zur Absiche rung industriel­ler IT Infrastruk­turen.

Zur Person

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany