Augsburger Allgemeine (Land West)
Höhenflug der Sonderlinge
Erzählungen aus dem Kloster Schussenried
Das Kloster Schussenried, auf halbem Weg zwischen Ulm und Bodensee gelegen, ist Schauplatz eines schmalen Bandes mit Erzählungen des Augsburgers Michael Lichtwarck-Aschoff (*1942) der nach einem Berufsleben als Mediziner, sich aufs Schreiben verlegt und dafür inzwischen manchen Preis erhalten hat. In Schussenried hat es durch die Jahrhunderte ein paar eigenwillige, vom Fliegen faszinierte Gestalten gegeben. Kaspar Mohr etwa, ein Pater, der seine Reformideen dadurch an die Leute bringen wollte, dass er sie mit Flugversuchen zu überzeugen trachtete. Oder Johann Baptist Allgaier, der dem berühmten Mälzel’schen Schachautomaten auf die Schliche kam. Nicht zu vergessen Gustav Mesmer, der in der Schussenrieder Anstalt saß und aus Fahrrädern Flugobjekte konstruierte, mit denen er über die Mauer setzen wollte. LichtwarckAschoffs mit novellistischem Geschick und perspektivischen Finessen dargebotene Melange aus Dichtung und Wahrheit handelt nicht nur von Versuchen, die Schwerkraft zu überwinden, sondern auch von gedanklichen und emotionalen Höhenflügen: Bewegungen, die bodenständige Menschen oft nicht nachvollziehen mögen, weshalb sie die „Verrückten“von den „Normalen“scheiden. Lichtwarck-Aschoff erzählt mit Empathie von Sonderlingen und ihrem Tun – und unterlegt dabei manches Skurrile mit einem bedächtigen, doch vernehmbar humorvollen Ton.