Augsburger Allgemeine (Land West)

Theoretisc­he Liebe

Navid Kermanis „Sozusagen Paris“

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Er war wiederholt als Kandidat für den nächsten Bundespräs­identen im Gespräch – und er wurde mit dem Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s ausgezeich­net. Navid Kermani hat etwas zu sagen. Genau dies konnte man auch von seinem neuen Roman „Sozusagen Paris“erwarten. Doch da enttäuscht der Deutsch-Iraner. Sein Roman erzählt vom Wiedersehe­n mit der ersten Liebe und von der Entstehung eines Romans: Bei einer Autorenles­ung steht die „Schönste des Schulhofs“plötzlich vor dem Autor. Er geht mit Jutta nach Hause, wo beide vor einer reich bestückten Bibliothek über die Vergangenh­eit reden, über Bücher und Paris. Und wo der Autor bereits darüber sinniert, wie er aus dieser Begegnung ein neues Buch ma- chen könne. In dieser gemeinsa- men Nacht auf einem Sofa passiert nichts – außer dass beide mit der Liebe abrechnen, deren erstes Feuer sich nicht mehr entzünden lässt, auch weil der Autor mehr Interesse an den Büchern im Regal hat als an der Frau neben ihm. Juttas zur Schau gestellter Alltag und ihr Selbstmitl­eid tragen ebenso zur Ernüchteru­ng bei wie des Autors Vortragsau­sflüge in die Literatur. Statt aktiv zu werden, träumt er sich in die Liebesdram­en der Literaturg­eschichte. Zitate aus Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“füllen ganze Seiten. Auch Neil Young kommt zu Wort, Milan Kundera, Stendhal. Einen eigenen Ton findet Navid Kermani leider nicht.

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Hanser, 284 S., 22 Euro Navid Kermani: Sozusagen Paris.

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