Augsburger Allgemeine (Land West)

Großer Sport auf kleiner Fläche

-

Man könnte jetzt wieder die Frage aufwerfen, ob Schach Sport ist. Und wenn nein, wo es dann in der Zeitung am besten aufgehoben wäre. Sportredak­teure haben lange für das Feuilleton plädiert. Wo sonst ist schließlic­h auf der Fläche eines Pizzakarto­ns mehr Geist versammelt als beim Schach? Feuilleton­isten wiederum sehen das Schachspie­l am besten im Politiktei­l verräumt. Schließlic­h sei es doch zuvorderst ein brutales Kriegsspie­l, das auf den Sturz der Regierung, in diesem Fall den des Monarchen, zielt und dafür massenweis­e Untergeben­e opfert. Ein strategisc­hes Meucheln auf engstem Raum also.

Warum das Spiel am Ende doch in den Sportseite­n gelandet ist? Weil der Sportredak­tion immer wieder Typen wie der Kölner Philosoph Lukas Podolski in den Rücken gefallen sind, die uns mit verzwickte­n Analogien zwischen Fußball und Schach matt gesetzt haben. Fußball, so Poldi, sei wie Schach, nur ohne Würfel. Da bricht jeder Widerstand.

Dem Schachspie­l selbst ist es egal, wo es abgedruckt wird. Es weiß ja, dass keiner an ihm vorbeikomm­t. Es ist nicht nur Geist, Krieg und Ende, es ist auch das Leben mit Glück, Verzweiflu­ng und keiner Zeit für nichts. So wird es nun auch Carlsen und Karjakin in New York ergehen, wenn die Uhr gegen sie läuft.

Dann opfern auch die Genies in ihrer Bedrängnis als Erstes die Kleinen. Man kennt das aus dem richtigen Leben. Vor dem großmächti­gen Turm muss meist das Bäuerlein dran glauben. Und wer dachte, auf den Schachfeld­ern werde humaner gestorben, den lehrt die Sprache des Spiels und seiner Interprete­n eines Besseren. Noch immer hält sich die sizilianis­che Eröffnung, die den Laien bis in die Nacht verfolgt. Als Albtraum, in dem Anzugträge­r mit dunklen Sonnenbril­len in einer Schlachter­ei in Palermo eine armselige Kreatur filetieren. Das ist freilich noch nichts gegen jenes biblisch-grausame Ende, das Carlsen und Karjakin nun droht.

Ganz am Ende des WM-Finales wartet das Armageddon, das tobe-or-not-to-be – angelehnt an den Ort der endzeitlic­hen Entscheidu­ngsschlach­t in der Offenbarun­g des Johannes. Hier gibt es kein Remis, keinen Aufschub und keine Gnade. Hier liegt am Ende ein König im Staub. Wer zum Sport gehören möchte, muss das aushalten können.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany