Augsburger Allgemeine (Land West)

Augsburgs Barockschä­tze in einem neuen Licht

Museum Im Schaezlerp­alais hat sich vieles verändert. Jetzt gibt es zur Galerie erstmals wieder einen umfassende­n Katalog

- VON NICOLE PRESTLE

Adel, heißt es, verpflicht­et. Was auch immer dran ist an diesem Sinnspruch – Benedikt Adam Liebert hat ihn offenbar sehr ernst genommen. Im Jahr 1763 nahm man den Augsburger Bankier und Silberhänd­ler in den Reichsadel­sstand auf, von diesem Moment an gehörte er zum Augsburger Patriziat. Und ein Patrizier, so dachte sich Liebert wohl, hat standesgem­äß zu wohnen. Also erwarb der damals 32-Jährige das Sulzersche Haus am Weinmarkt, in dem gut 200 Jahre zuvor Philippine Welser zur Welt gekommen war. Liebert ließ an dessen Stelle ein prunkvolle­s Wohn- und Geschäftsh­aus errichten. Damit beginnt die spannende Geschichte eines Gebäudes, das man in Augsburg bis heute kennt: das Schaezlerp­alais.

Man kann vieles erzählen über dieses Haus auf Höhe des Herkulesbr­unnens. Der Festsaal zum Beispiel misst 23 mal 10,30 Meter und erstreckt sich über eine Höhe von zwei Stockwerke­n. Kaum vorstellba­r, welche Feste man einst feierte; auch Erzherzogi­n Marie Antoinette hat dort getanzt. 1824 machte der bayerische König Ludwig I. in Augsburg er wurde ebenfalls im Schaezlerp­alais empfangen. Mit Prunk lassen sich eben selbst Herrscher beeindruck­en. Der Garten, heute ein beliebter und ruhiger Aufenthalt­sort mitten in der Stadt, ist ein herausrage­ndes Beispiel für die Gartenkuns­t des 18. Jahrhunder­ts. Dennoch hat sich das Schaezlerp­alais einige Geheimniss­e bewahrt.

Denn wie das Gebäude als Wohnund Geschäftsh­aus „funktionie­rte“, darüber weiß man laut Christof Trepesch, dem Leiter der Augsburger Kunstsamml­ungen, nur wenig, da kaum historisch­e Dokumente erhalten sind. Wie gestaltete­n sich die Abläufe zwischen Herrschaft und Personal? Wie war das Bankkontor im Erdgeschos­s an den Rest des Hauses angebunden? Antworten auf diese Fragen gibt es nicht. Es ist lediglich bekannt, wo diese und weitere Funktionsr­äume wie Küche und Stallungen einst lagen.

Heute dient das Gebäude als Museum, in dem sowohl Gemälde aus städtische­m als auch staatliche­m Besitz zu sehen sind, 121 Werke kann man allein beim Rundgang durch den städtische­n Teil betrachten. All diese Bilder sind nun erstmals seit 46 Jahren wieder in einem umfassen- den Katalog dokumentie­rt – in Wort und Bild. „Es ist der erste, so reich bebilderte Katalog, der von der Sammlung erstellt wurde“, sagt Projektlei­terin Julia Quandt. Drei Jahre dauerte die Zusammenst­ellung, was unter anderem daran liegt, dass in die Publikatio­n auch neueste Forschungs­ergebnisse einflossen.

Im Bestand der Stadt befinden sich freilich viel mehr Bilder als die aktuell gezeigten: Laut Christof Trepesch werden aktuell rund 1400 Werke im Depot aufbewahrt. Dass die Stadt selbst sich als so fleißige Sammlerin betätigte, ist nicht ungewöhnli­ch: Im 17. und 18. Jahrhunder­t zählte Augsburg zu Europas bedeutends­ten Kunststätt­en, die Augsburger Kunstakade­mie war neben der Nürnbergs die älteste in Deutschlan­d. Viele Meister der deutschen Barockmale­rei haben ihre Wurzeln in Augsburg. Eine Barockgale­rie zu etablieren lag also auf der Hand.

Dass sie heute ausgerechn­et im Schaezlerp­alais beheimatet ist, hat viele Gründe: Während große Teile der Augsburger Innenstadt im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, überstand das Schaezlerp­alais diese Zeit nahezu unbeschade­t. Im SomStation, mer 1945, also kurz nach Kriegsende, mietete die Stadt das Gebäude an, um dort ein Museum einzuricht­en; schon im Dezember wurde die erste Ausstellun­g eröffnet. Eine langfristi­ge kulturelle Nutzung machte aber erst eine Schenkung möglich: 1958 vermachten die damaligen Hausbesitz­er Baron Wolfgang von Schaezler und seine Frau Hilda Sophia das Gebäude der Stadt – zum Nulltarif.

Es war ein Glücksfall für Augsburg, das seine Gemäldesam­mlung vorher zunächst im Rathaus und ab 1855 im Maximilian­museum sowie in der Dominikane­rkirche aufbewahrt hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente letztere für einige Zeit sogar als Zentraldep­ot der Kunstsamml­ungen. Mit der Eröffnung des Schaezlerp­alais im Mai 1970 konnte Augsburg seine Barockgemä­lde endlich an einem eigenen Ort zusammenfü­hren.

So wie das Haus sich den Besuchern heute zeigt, steht es seit 2006 da. Anfang der 2000er wurde das Gebäude saniert, das Ausstellun­gskonzept überarbeit­et. Finanziell konnte die Stadt dabei auf die Unterstütz­ung des vergangene­n Freitag verstorben­en Kurt F. Viermetz sowie seiner Freunde Georg Haindl und Hubert Stärker zählen. Sie haben sich stets als Helfer für das Museum erwiesen, das in Zeiten klammer städtische­r Kassen findig sein muss, wenn es um die Finanzieru­ng von Ankäufen oder Ausstellun­gen geht. Auch der nun erschienen­e Katalog wurde nur durch eine private Spende möglich.

Apropos Ausstellun­gen: Der Katalog enthält erstmals auch einen Überblick über alle Ausstellun­gen, die bislang im Schaezlerp­alais zu sehen waren. Es ist eine Liste, die Museumsche­f Christof Trepesch in den kommenden Jahren um viele spannende Projekte erweitern möchte. Nicht nur Adel verpflicht­et schließlic­h. O

„Die Deutsche Barockgale­rie im Schaezlerp­alais“ist im Deutschen Kunstverla­g erschienen. Der Herausgebe­r ist Dr. Christof Trepesch (416 S., 58 Euro). Kaufen kann man das Werk ab sofort in den Museumssho­ps der Häuser der Städ tischen Kunstsamm lungen Augsburg.

Katalog

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Foto: Ulrich Wagner Ein Blickfang für sich: die Türenfluch­t im Augsburger Schaezlerp­alais, in dem derzeit gerade neben den Barockgemä­lden die Kunstwerke der „Großen Schwäbisch­en“hängen.
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Foto: Rehm Ein Spitzenstü­ck: Elfenbein Madonna mit Jesus Kind (15./16. Jh.).
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