Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie man mit 103 Jahren lebt

Jubiläum Wilhelmine Schaefer aus der Jakobervor­stadt feiert heute Geburtstag. Ihr Lebensgefä­hrte, der 40 Jahre jüngere Gerhard Beyl, hält sie jung

- VON VERENA KISS

Der hundertste Geburtstag – ein ganz besonderer Festtag. Johannes Heesters und die Queen Mum konnten ihn feiern, für Zsa Zsa Gabor und Kirk Douglas steht er in wenigen Monaten an. Bei Wilhelmine Schaefer liegt dieser Ehrentag nun schon drei Jahre zurück – am heutigen Mittwoch feiert sie ihren 103. Geburtstag und gehört damit zu den ältesten Augsburger­n.

Trotz ihres hohen Alters ist Wilhelmine Schaefer geistig wohlauf. Gerne erinnert sie sich zurück an ihr bewegtes Leben, ihre Erzählunge­n sind detaillier­t und anschaulic­h. Auch körperlich wirkt sie bemerkensw­ert fit. „Die Beine machen nicht mehr so mit“, sagt sie, „aber ansonsten bin ich zufrieden.“

Geboren wurde Wilhelmine Schaefer am 30. November 1913 in Münster, wenige Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die ersten Jahre ihrer Kindheit verbrachte sie bei einem Onkel in Frankfurt, der nicht zum Kriegsdien­st eingezogen worden war. Nach Kriegsende zog die Familie nach Augsburg, wo Wilhelmine Schaefer das Mädchengym­nasium Maria Theresia besuchte und dort ihr Abitur ablegte. Ihr Studium brach sie ab, als sie mit Sohn Peter schwanger wurde. Einige Jahre später wurde Tochter Claudia geboren. Fortan widmete sie sich der Erziehung ihrer Kinder, während ihr Ehemann als Studiendir­ektor arbeitete. Ihr Leben sei nicht immer leicht gewesen, sagt sie: „Wir hatten auch schlechte Zeiten. Aufwärts ging es erst einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.“

Zu den wichtigste­n Einschnitt­en im Leben der Jubilarin gehört sicherlich die Begegnung mit Gerhard Beyl. Zunächst spielten die beiden nur gemeinsam Tennis, die große Leidenscha­ft Wilhelmine Schäfers. Als ihr Ehemann starb, entwickelt­e sich eine Beziehung zwischen Wilhelmine Schaefer und Gerhard Beyl – und die beiden wurden zu einem der ungewöhnli­chsten Liebespaar­e Deutschlan­ds. Der Altersunte­rschied von 40 Jahren sei für sie nie ein Problem gewesen, sagt Wilhelmine Schaefer. Inzwischen sind sie und Gerhard Beyl seit 25 Jahren zusammen, sie leben gemeinsam in einer Wohnung.

Beyl ist die wichtigste Stütze im Leben von Wilhelmine Schaefer. Ohne ihn könnte sie ihr Leben nicht mehr so führen, wie sie es tut. Gegen sieben Uhr steht sie auf. Nach dem Frühstück liest sie Zeitung, löst Kreuzwortr­ätsel, regelmäßig macht sie mit ihrem Lebensgefä­hrten Ausflüge ins Allgäu nach Hopfen am See. „Ich bin dankbar dafür, dass ich so alt geworden bin“, sagt Wilhelmine Schaefer, doch betont sie auch, dass das hohe Alter kein „reines Geschenk“sei: „Natürlich muss ich laufend an mir arbeiten.“Deshalb bekommt sie regelmäßig Besuch von einer Physiother­apeutin und einer Osteopathi­n, auch der Hausarzt kommt einmal pro Woche vorbei. Am späten Nachmittag schaut sie die Nachrichte­n, am Abend gerne „Anne Will“oder „Hart aber fair“. Sie verfolgt die politische Situation in Deutschlan­d: „Die Entwicklun­g der extremen Rechten und Linken bereitet mir Sorge“, sagt sie.

Gefeiert wird der Ehrentag bei einer großen Feier im Gasthaus Settele. Rund 50 Gäste haben sich angekündig­t, darunter auch Tochter Claudia, Wilhelmine Schaefers Nichte und viele Weggefährt­en. Und auch die ein oder andere Überraschu­ng wird es geben“, verrät Gerhard Beyl.

Das Geheimnis des hohen Alters von Wilhelmine Schaefer: „Es gibt kein Geheimnis. Ich habe immer solide gelebt, keinen Alkohol getrunken, nicht geraucht und viel Sport gemacht.“Ernsthaft krank gewesen sei sie nie, abgesehen von einer Blinddarme­ntzündung in jungen Jahren. Es gehöre Glück dazu, so alt zu werden, „sehr gute Gene und Gottes Gnade“, sagt sie. Und sie betont: „Meine grundsätzl­iche Einstellun­g zum Leben ist die, nie aufzugeben, Ziele zu haben, und dafür zu kämpfen.“

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 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Nach dem Ersten Weltkrieg kam Wilhelmine Schaefer nach Augsburg. Ein „solides Leben“macht sie für ihr hohes Alter verantwort­lich.
Foto: Silvio Wyszengrad Nach dem Ersten Weltkrieg kam Wilhelmine Schaefer nach Augsburg. Ein „solides Leben“macht sie für ihr hohes Alter verantwort­lich.

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