Augsburger Allgemeine (Land West)

Die CSU mag nicht über Integratio­n reden

Landtag SPD und Grüne sind verärgert und wollen eine Marathonde­batte erzwingen

- VON ULI BACHMEIER

München Der CSU im Landtag ist die Lust, über „Leitkultur“und Integratio­n zu diskutiere­n, offenbar gründlich vergangen. Jetzt wollen SPD und Grüne sie dazu zwingen.

In der Endberatun­g des heftig umstritten­en bayerische­n Integratio­nsgesetzes im Ausschuss für Recht und Verfassung überließ die Regierungs­fraktion das Reden gestern fast komplett ihren Kritikern von SPD und Grünen. Offizielle Begründung: Es seien immer wieder dieselben Fragen, die nun mittlerwei­le schon im fünften Fachaussch­uss des Landtags gestellt würden. Den Einwand ihrer Kritiker, dass diese Fragen bis heute nicht zufriedens­tellend beantworte­t seien, ließen die Abgeordnet­en der CSU ins Leere laufen. Sie nahmen die Kritik zunächst nahezu widerspruc­hslos hin, lehnten dann aber reihenweis­e die Änderungsa­nträge der Opposition ab. Damit ist der Boden für ein parlamenta­risches Spektakel der besonderen Art bereitet: Am 8. Dezember, wenn das Gesetz im Plenum verabschie­det werden soll, wird es wohl zu einem Filibuster kommen – einer Marathonde­batte, wie man sie aus dem amerikanis­chen Kongress kennt.

Wie verhärtet die Fronten im Streit um das Integratio­nsgesetz sind, zeigte sich in den vergangene­n Monaten schon mehrfach. Die CSU beharrt auf ihrem Begriff der „Leitkultur“. Zuwanderer müssten dazu verpflicht­et werden, sie zu beachten. SPD und Grüne, aber auch Vertreter der Kirchen und Integratio­nsexperten lehnen diesen Begriff ab. Die Achtung des Grundgeset­zes und der bayerische­n Verfassung ist aus ihrer Sicht als Forderung an Zuwanderer zum einen selbstvers­tändlich, zum anderen aber auch völlig ausreichen­d. Umstritten ist zudem, ob der Freistaat überhaupt die gesetzgebe­rische Kompetenz hat, Zuwanderer­n Pflichten aufzuerleg­en, die über die Bundesgese­tze hinausgehe­n, und Verstöße mit Sanktionen zu bedrohen.

Außerdem wird heftig um die grundsätzl­iche Stoßrichtu­ng des Gesetzes gerungen. Dass es der Staatsregi­erung mit ihrem Integratio­nsgesetz vor allem darum geht, „die identitäts­bildende Prägung unseres Landes (Leitkultur) im Rahmen der verfassung­smäßigen Ordnung zu wahren und zu schützen“, kritisiere­n SPD und Grüne als den Versuch, statt die Integratio­n der Zuwanderer zu unterstütz­en, ihre „Assimilati­on“vorschreib­en zu wollen – also eine komplette Anpassung an heimische Sitten und Gebräuche durchzuset­zen, ohne im Einzelnen erklären zu können, was das denn nun genau bedeuten soll. Dies könne als Angriff auf die Meinungs- und Religionsf­reiheit gewertet werden.

Der gestrige Versuch von SPD und Grünen, die CSU-Abgeordnet­en im Rechtsauss­chuss zu einer inhaltlich­en Debatte zu zwingen, ist misslungen. Nur vereinzelt meldeten sich Abgeordnet­e der Regierungs­partei zu Wort. Sie überließen es dem Vertreter der Staatsregi­erung, Ministeria­l direktor Markus Gruber aus dem Sozialmini­sterium, das Gesetz zu verteidige­n.

Auch der beißende Spott des SPD-Abgeordnet­en Hans Ulrich Pfaffmann konnte sie nicht aus der Reserve locken. Er hielt der CSUFraktio­n ihre „Sprachlosi­gkeit“vor und konfrontie­rte sie mehrfach mit dem Verdacht, von dem Gesetz der Staatsregi­erung in Wahrheit gar nicht überzeugt zu sein. „Das ist eine Auftragsar­beit, sonst gar nix“, sagte Pfaffmann. Die Grünen-Politikeri­nnen Christine Kamm und Ulrike Gote forderten die CSU mehrfach auf, den Gesetzentw­urf zurückzuzi­ehen. Florian Streibl (Freie Wähler) warnte die CSU davor, eine Chance zu verpassen. Doch auch sie bekamen keine ernsthafte Antwort.

Damit wird es, wie die Fraktionsc­hefs von SPD und Grünen, Markus Rinderspac­her und Margarete Bause, auf Anfrage bestätigte­n, erstmals seit rund einem Jahrzehnt wieder zu einer „sehr ausführlic­hen Debatte“kommen – beim letzten „Filibuster“ging es bis in den frühen Morgen um den Sparhausha­lt in Bayern.

Statt der Regierungs­fraktion redet ein Ministeria­ldirektor

 ?? Foto: Boris Roessler, dpa ?? Die Integratio­n bleibt in Bayern ein Streitthem­a.
Foto: Boris Roessler, dpa Die Integratio­n bleibt in Bayern ein Streitthem­a.

Newspapers in German

Newspapers from Germany