Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Zwilling im Tarnanzug
Prozess um Schlägerei nach Faschingsumzug
Höchstädt Es war ein kurioser Fall, der am Amtsgericht in Dillingen zu Ende ging. Ungewöhnlich war dabei aber nicht so sehr die vorgeworfene Tat als vielmehr die Vorkommnisse in der Verhandlung selbst. Denn schon am ersten Prozesstag, an dem sich ein 25-Jähriger aus dem Landkreis Augsburg wegen gefährlicher Körperverletzung beim Faschingsumzug in Höchstädt vor Gericht verantworten musste, passierte etwas, was Richterin Beate Bernard so auch noch nicht erlebt hatte.
Ausgerechnet das mutmaßliche Opfer geruhte nicht, zur Verhandlung zu kommen. Telefonisch konnte der 20-Jährige daheim erreicht werden und gab für sein unentschuldigtes Fehlen als Grund an, dass er kein Geld für eine Zugfahrkarte gehabt habe. Damit die Verhandlung trotzdem weitergehen konnte, sprang die Polizei als Chauffeur ein und holte den 20-Jährigen von zu Hause ab.
Viel konnte das Opfer nach seiner Ankunft bei Gericht zur Klärung des Vorfalls im Fasching dann trotzdem nicht beitragen. Er konnte sich nämlich nicht mehr daran erinnern, dass er sich in seinem Kontrahenten verbissen haben soll. Nur noch an dessen Schläge. Doch die, sagt der Angeklagte, der eine bleibende Narbe von dem Biss hat, habe er nur ausgeteilt, damit der andere endlich loslässt.
Ein Freund des 20-Jährigen sollte deshalb bei einem Fortsetzungstermin für Erhellung sorgen. Denn der, sagte das vermeintliche Opfer, soll bei der handgreiflichen Auseinandersetzung, bei der eine Anwohnerin die Streithähne auch fotografiert hatte, dabei gewesen sein. Ein Blick auf die Fotos reichte dem 21-Jährigen. Er war, wie die anderen in seiner Gruppe, beim Umzug in Soldatenmontur unterwegs. Doch schnell war klar: „Das bin nicht ich.“
Die Farbe des Soldatenanzugs ist entscheidend
An viel könne er sich nicht mehr erinnern, vor allem nicht an eine Schlägerei. „Ich war total besoffen. Wie ungefähr jeder auf dem Umzug.“Eines aber wisse er noch ganz genau: Sein Soldatenanzug war Flecktarn. Die Person auf dem Bild aber trage Multitarn. Gut möglich, dass das sein eineiiger Zwillingsbruder ist, der da zu sehen sei. Er jedenfalls sei mit einem Nachbarn mit dem Taxi heimgefahren, habe keine Schlägerei gesehen.
Der Zwillingsbruder war aus beruflichen Gründen auf die Schnelle nicht für eine Aussage vor Gericht greifbar. Weil außerdem nicht auszuschließen war, dass der 25-Jährige tatsächlich nur zugeschlagen hatte, um den Kontrahenten, der sich in ihm verbissen hatte, abzuwehren, wurde das Verfahren schließlich vorläufig eingestellt. Der 25-Jährige muss allerdings 700 Euro an das Gundelfinger Kinderheim St. Clara zahlen.