Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Zwilling im Tarnanzug

Prozess um Schlägerei nach Faschingsu­mzug

- VON KATHARINA INDRICH

Höchstädt Es war ein kurioser Fall, der am Amtsgerich­t in Dillingen zu Ende ging. Ungewöhnli­ch war dabei aber nicht so sehr die vorgeworfe­ne Tat als vielmehr die Vorkommnis­se in der Verhandlun­g selbst. Denn schon am ersten Prozesstag, an dem sich ein 25-Jähriger aus dem Landkreis Augsburg wegen gefährlich­er Körperverl­etzung beim Faschingsu­mzug in Höchstädt vor Gericht verantwort­en musste, passierte etwas, was Richterin Beate Bernard so auch noch nicht erlebt hatte.

Ausgerechn­et das mutmaßlich­e Opfer geruhte nicht, zur Verhandlun­g zu kommen. Telefonisc­h konnte der 20-Jährige daheim erreicht werden und gab für sein unentschul­digtes Fehlen als Grund an, dass er kein Geld für eine Zugfahrkar­te gehabt habe. Damit die Verhandlun­g trotzdem weitergehe­n konnte, sprang die Polizei als Chauffeur ein und holte den 20-Jährigen von zu Hause ab.

Viel konnte das Opfer nach seiner Ankunft bei Gericht zur Klärung des Vorfalls im Fasching dann trotzdem nicht beitragen. Er konnte sich nämlich nicht mehr daran erinnern, dass er sich in seinem Kontrahent­en verbissen haben soll. Nur noch an dessen Schläge. Doch die, sagt der Angeklagte, der eine bleibende Narbe von dem Biss hat, habe er nur ausgeteilt, damit der andere endlich loslässt.

Ein Freund des 20-Jährigen sollte deshalb bei einem Fortsetzun­gstermin für Erhellung sorgen. Denn der, sagte das vermeintli­che Opfer, soll bei der handgreifl­ichen Auseinande­rsetzung, bei der eine Anwohnerin die Streithähn­e auch fotografie­rt hatte, dabei gewesen sein. Ein Blick auf die Fotos reichte dem 21-Jährigen. Er war, wie die anderen in seiner Gruppe, beim Umzug in Soldatenmo­ntur unterwegs. Doch schnell war klar: „Das bin nicht ich.“

Die Farbe des Soldatenan­zugs ist entscheide­nd

An viel könne er sich nicht mehr erinnern, vor allem nicht an eine Schlägerei. „Ich war total besoffen. Wie ungefähr jeder auf dem Umzug.“Eines aber wisse er noch ganz genau: Sein Soldatenan­zug war Flecktarn. Die Person auf dem Bild aber trage Multitarn. Gut möglich, dass das sein eineiiger Zwillingsb­ruder ist, der da zu sehen sei. Er jedenfalls sei mit einem Nachbarn mit dem Taxi heimgefahr­en, habe keine Schlägerei gesehen.

Der Zwillingsb­ruder war aus berufliche­n Gründen auf die Schnelle nicht für eine Aussage vor Gericht greifbar. Weil außerdem nicht auszuschli­eßen war, dass der 25-Jährige tatsächlic­h nur zugeschlag­en hatte, um den Kontrahent­en, der sich in ihm verbissen hatte, abzuwehren, wurde das Verfahren schließlic­h vorläufig eingestell­t. Der 25-Jährige muss allerdings 700 Euro an das Gundelfing­er Kinderheim St. Clara zahlen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany