Augsburger Allgemeine (Land West)
„Jetzt muss aber mehr kommen“
Der Bundestrainer lobt seinen besten Mann, spart aber auch nicht mit Kritik an zwei arrivierten Sportlern
Skispringen ist unberechenbar. Das weiß Werner Schuster natürlich, immerhin ist er der Bundestrainer. Trotzdem dürfte damit auch er nicht gerechnet haben: Innerhalb seiner Mannschaft liegen extreme Qualitätsunterschiede. Leistungsträger der vergangenen Jahre hinken meilenweit hinterher. Dafür trumpfen andere plötzlich groß auf.
Dementsprechend unterschiedlich fiel die Zwischenbilanz des Bundestrainers aus. Ausgiebig lobte er seinen besten Mann. Der heißt Markus Eisenbichler und belegt nach zwei der vier Tourneespringen Platz vier in der Gesamtwertung. Der Abstand zu den Führenden, Kamil Stoch (Polen), Stefan Kraft (Österreich) und Daniel André Tande, ist allerdings schon beträchtlich. Trotzdem sagt Schuster: „Er kann noch unter den besten Drei landen.“Schließlich sei die Tournee ja dafür bekannt, dass sie gerne für Überraschungen sorgt.
Dabei spielt das Wetter eine Hauptrolle. Für Innsbruck, wo am Mittwoch das dritte Springen stattfindet, ist dichter Schneefall vorhergesagt. Und auch der Wind soll auffrischen. Beste Voraussetzungen also, das Feld noch einmal durcheinanderzuwirbeln.
Ob das allerdings den deutschen Springern auf den hinteren Rängen nach vorne hilft, ist fraglich. Severin Freund beispielsweise sucht bislang vergeblich nach seiner Form. Die fünfmonatige Pause im Sommer nach einer Hüftoperation ist ganz offensichtlich doch nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Im Vorjahr hatte er noch den zweiten Platz hinter dem überragenden Peter Prevc belegt. Momentan rangiert er auf Rang 22. „Manchmal muss man so etwas schlucken. Sportlerleben haben auch Täler“, sagte er nach dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen.
Schuster stärkt Freund aber den Rücken. Der habe im Absprung einen Fehler, den Schuster „verkorkst“nennt. Die Kraft aus den Oberschenkeln bekommt Freund nicht auf den Schanzentisch. Das kostet ihn Höhe, was sich unmittelbar auf die Weite auswirkt. Rund zehn Meter fehlen Freund auf die Topleute. Mit kleinen Schritten müsse er sich nun wieder heranarbeiten. „Severin ist vom Charakter her ein ganz außergewöhnlicher Sportler. Immer realitätsbezogen, immer rational. Er schmeißt nie die Nerven weg. Ich hoffe, das kann er sich bewahren. Denn er ist definitiv weiter weg, als ich gedacht habe, und wird Geduld brauchen“, sagte Schuster.
Am Ende seiner Geduld scheint der Bundestrainer dagegen bei Richard Freitag (13.). Er attestierte dem 25-Jährigen „eine stabil rückläufige“Entwicklung. Dabei sei Freitags Potenzial riesig. Er und der ebenfalls eher enttäuschende Andreas Wellinger (11.) hätten sich bisher immer hinter Freund verstecken können. „Jetzt muss aber mehr kommen.“
Das eher durchschnittliche Abschneiden der deutschen Springer hat sich an den Einschaltquoten bemerkbar gemacht. Saßen vergangenes Jahr noch 6,4 Millionen beim Neujahrsspringen vor dem TV, waren es dieses Mal nur 5,4 Millionen.