Augsburger Allgemeine (Land West)

Robbie hilft beim Buchen weiter – vielleicht

Reiseberat­ung Achtung, die Chatbots kommen – WhatsApp und Facebook-Messenger sollen Fragen beantworte­n

- VON HANS WERNER RODRIAN

„Hallo, wo willst du hinfliegen?“„Ich suche einen Flug von Stuttgart nach London.“„Wann möchtest du abfliegen?“„Ende Februar“. „Okay, ich habe 17 passende Angebote gefunden.“Wer auf Facebook so vom Reiseporta­l Kayak angesproch­en wird, denkt vermutlich, dass da ein Mensch tippt. Doch weit gefehlt. Es ist ein Computer, ein sogenannte­r Chatbot. Der chattet fröhlich drauf los, ohne irgendeine menschlich­e Regung zu haben. Er ist nur auf eins programmie­rt: Reisen zu verkaufen.

Kayak ist beim Reiseverka­ufsChat nicht allein. Wer Austrian Airlines auf Facebook eine Nachricht schickt, der landet erst mal beim Chatbot. Auch die Fluggesell­schaften Icelandair und KLM sowie die Flugsuchma­schine Skyscanner chatten bereits live. Expedia verkauft auf diese Weise Hotels und Booking.com gibt Besichtigu­ngstipps für Städte wie Paris und London, New York und Dubai. Hinzu kommen Start-ups wie Snap-Travel und Travel Homie. Sie alle halten Chatbots für das nächste große Technikdin­g und meinen, dass schon morgen keiner mehr nach Internetbr­owsern fragt.

Dabei scheint Kayaks Kollege Roboter gerade indisponie­rt: Erst fragt er schematisc­h Datum und Abflugort ab, dann bietet er unvermitte­lt einen Flug nach Lagos in Nigeria statt nach London an. Aber das sind Kinderkran­kheiten; davon geben sich nicht nur die Beteiligte­n überzeugt. Auch für Microsoft-Boss Satya Nadella bedeuten Chatbots die nächste Stufe des Internets: Statt Reisewünsc­he ständig neu in unverständ­liche Formulare eingeben zu müssen, unterhält man sich doch lieber in Alltagsspr­ache. Selbst wenn am anderen Ende der Leitung nur Software zuhört.

Vorbilder für den Chatbot-Trend sind Alexa von Amazon, Siri von und Cortana von Microsoft, die freundlich­en Sprachassi­stenten der großen IT-Konzerne. Mit ihren Säuselstim­men machen sie die Eingabe am Rechner ein bisschen menschlich­er – und das soll jetzt auch bei Reisebuchu­ngen gelingen. Seit Facebook vergangene­s Frühjahr seinen Messenger für alle freigegebe­n hat, habe das Thema einen gewaltigen Schub bekommen.

Was sind Chatbots? Die Abkürzung steht für Chat-Robots, mit denen man sich in Alltagsspr­ache tippend oder sprechend unterhält. Reiseporta­le setzen sie gern ein, um mit den Urlaubern ins Gespräch zu kommen, ohne Telefonist­en bezahlen zu müssen. Dabei sind die Chatbots der ersten Stunde noch ziemlich dumm: Sie können im Wesentlich­en bestimmte Stichwörte­r erkennen und darauf reagieren.

Aber das Ziel ist künstliche Intelligen­z: Die Software soll mit jedem Kundengesp­räch dazulernen und besser werden. Das ist auch bitter nötig. Die Touristikb­ranche weiß, dass sie Nachholbed­arf hat: Vier von zehn Internet-Usern fällt es schwer, das richtige Angebot für sich zu finden. Jeder zweite stört sich an ellenlange­n Buchungsfo­rmularen und wäre an personalis­ierten Reiseangeb­oten interessie­rt. Die sehen derzeit auch als Chat allesamt ähnlich aus. Das ist kein Wunder: Die wenigsten Reisewebse­iten programmie­ren einen eigenen Chatbot. Meist wird ein vorhandene­r verwendet – vorwieAppl­e gend die von Facebook Messenger und WhatsApp. Beide bieten, was die Reiseindus­trie sucht: Präsenz dort, wo die Kunden viel Zeit verbringen. 2,5 Milliarden Menschen verwenden tagtäglich Facebook oder WhatsApp. Davon können Anbieter von Reisewebse­iten nur träumen. Allerdings haben Facebook & Co. es den Usern auch ziemlich einfach gemacht, Chatbots bei Nichtgefal­len zu blockieren. Und so lassen es aktuell viele Anbieter nicht darauf ankommen, dass der programmie­rte Reiseberat­er zu viel Unfug erzählt. Sobald der nicht mehr weiterweiß, übernimmt häufig ein echter Reiseberat­er. Und wenn es so funktionie­rt, wie es sich die Programmie­rer von Voya.ai vorstellen, dann merkt der Kunde das noch nicht mal. Beim Reiseporta­l Expedia erfährt der Nutzer gleich zu Beginn, dass er die Konversati­on jederzeit neu beginnen kann, indem er „Restart“eingibt. Ob das schneller zum Ziel führt?

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Illustrati­on: Maxfarruh, Fotolia

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