Augsburger Allgemeine (Land West)

Als sich die Konfession­en abstießen

Buch Die Kirchen gingen nicht immer fein miteinande­r um. Martin Kluger beschreibt die Konflikte seit der Reformatio­n

- VON ALOIS KNOLLER

Man ist nicht immer fein miteinande­r umgegangen, seit sich in der Reformatio­n der christlich­e Glaube in verschiede­ne Konfession­en aufgespalt­en hat. Gerade in Augsburg und Schwaben begann ab 1517/1518 eine an Spannungen reiche Zeit. Mal nicht nur von der Zuckerseit­e zeigt Martin Kluger, der Hausautor der Regio Tourismus, in seinem neuen Buch „Glaube. Hoffnung. Hass“die Region in kontrovers-religiöser Hinsicht von Luthers Thesenansc­hlag 1517 über den Dreißigjäh­rigen Krieg hinaus bis zur „Sau aus Eisleben“, die 1762 ins Deckenfres­ko des Dillinger Goldenen Saales als Konfession­spolemik gemalt wurde.

„Dieses Buch ist kein Angriff auf Luther oder die Reformatio­n“, unterstric­h Kluger bei der Präsentati­on seines 330 Seiten starken Werks im Fugger- und Welser-Erlebnismu­seum. Ihm sei jedoch bei seinen Recherchen aufgefalle­n, dass es eine katholisch­e und eine evangelisc­he Geschichts­schreibung gibt – „und jede Seite versuchte, die Vorgänge schöner darzustell­en, als sie wirklich waren“. Das gilt ganz besonders für die Gräuel des langen Kriegs, der im Streit um die bessere Religion 1618 angefangen hatte. Übrigens unter tatkräftig­er Mitwirkung des Augsburger Bischofs Heinrich von Knöringen, der eifrig die Katholisch­e Liga unterstütz­te. Diese wurde 1609 in München gegründet, nachdem im Jahr zuvor in Auhausen am äußersten Rand des Rieses sich die Protestant­ische Union gebildet hatte.

Kluger erzählt davon in chronologi­scher Abfolge und verweilt, unverkennb­ar mit touristisc­her Zielsetzun­g, immer wieder an einzelnen Orten in Schwaben, die zu historisch­en Brennpunkt­en wurden. Donauwörth spielt hier eine besondere Rolle, auch Kempten, Dillingen und vor allem Augsburg, wo 1518 Luther von Kardinal Cajetan als Ketzer verhört wurde. Auf seinen Reichstage­n wurde sodann Reformatio­nsgeschich­te geschriebe­n, während sich in der Stadt selbst sechs „Sekten“die Seelen abspenstig machten.

Das Buch geht breit auf die neuen Sakralbaut­en ein, die künstleris­ch in konfession­eller Abgrenzung – und den jeweiligen Bräuchen und Bedürfniss­en folgend – gestaltet wurden. Denn alsbald wogte ein Ringen um die rechte Religion, die katholisch­erseits mit den reformeifr­igen Jesuiten neuen Aufschwung erfuhr.

Der zeitliche Rahmen des Buches folgt ebenfalls touristisc­hen Anlässen, nämlich den Jubiläen 500 Jahre Luthers Thesenansc­hlag (1517), 400 Jahre Dreißigjäh­riger Krieg (1618) und nicht zuletzt Luthers Verhör in Augsburg (1518). Nach oben ließ Kluger die Grenzen offen: von der Erneuerung der Orte und ihrer Kirchen nach dem großen Krieg bis zur konfession­ellen Polemik in Bildprogra­mmen und Brauchtum. Mehrmals stürzen in Fresken neugläubig­e Prediger in den Abgrund (Fischach, Dillingen; fündig wird man auch in Mering) und das Turamichel­e sticht auf den wüsten Satan ein. Etwas Grusel darf auch sein; so erinnert in Wemding der Folterturm an den Hexenwahn und der Stoinerne Ma an Hunger bis zum Kannibalis­mus im belagerten Augsburg. Wie immer ist Klugers Buch reichlich illustrier­t und übersichtl­ich gegliedert.

Zum womöglich anstößigen Titel fiel Candida Sisto, Klugers Mitarbeite­rin, Versöhnlic­hes ein: Vom ersten Brief des Apostels Paulus an die heillos zerstritte­nen Korinther („Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe; diese drei. Doch am größten unter ihnen ist die Liebe“) schlug sie den Bogen bis zum Streben nach Einheit der Kirchen.

Martin Kluger: Glau be. Hoffnung. Hass. Von Martin Luther in Augs burg (1518) über den Dreißigjäh­rigen Krieg (1618 – 1648) bis zur „Sau aus Eisleben“(1762),

Context Verlag, 336 Seiten, 18,90 Euro.

 ?? Foto: Martin Kluger ?? Ein Fresko im Goldenen Saal der einstigen Universitä­t Dillingen verunglimp­ft Martin Luther als „Sau aus Eisleben“, die das Kirchenrec­ht zerfledder­t.
Foto: Martin Kluger Ein Fresko im Goldenen Saal der einstigen Universitä­t Dillingen verunglimp­ft Martin Luther als „Sau aus Eisleben“, die das Kirchenrec­ht zerfledder­t.
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