Augsburger Allgemeine (Land West)
Flüchtlinge: Fehlt der Respekt vor der Polizei?
Sicherheit Nach den jüngsten Vorfällen an Weihnachten und in der Silvesternacht beziehen die Beamten Stellung. Fachleute sagen, wie Straftaten verhindert werden können
Es waren Nachrichten der zurückliegenden Tage aus dem Polizeibericht: Am Weihnachtsfeiertag lieferten sich Syrer eine heftige Auseinandersetzung in einem Nachtbus. In der Silvesternacht schossen einzelne Flüchtlinge aus unterschiedlichen Ländern mit Böllern gezielt auf umstehende Passanten, zudem zeigten sie sich gegenüber eingreifenden Polizeibeamten respektlos. Am frühen Morgen des Neujahrstages stach ein Unbekannter mit Migrationshintergrund auf einen anderen Mann mit einem Messer ein und flüchtete danach. Des Weiteren bedrängten drei Afghanen zwei junge Frauen in einer Diskothek. Fragen drängen sich auf: Gibt es eine zunehmende Gewaltbereitschaft unter Flüchtlingen? Wie sieht die Polizei den Umgang mit dem Personenkreis? Gegenüber unserer Zeitung bezieht Thomas Rieger, Pressesprecher vom Polizeipräsidium Schwaben Nord, Position: „Dass sich tatverdächtige Flüchtlinge per se respektloser uns gegenüber verhalten als Deutsche oder Ausländer, die sich länger hier aufhalten, kann ich nicht bestätigen. Nachlassender Respekt vor der Polizei, aber auch anderen Uniformträgern ist nach unserem Empfinden vielmehr ein aktuelles Phänomen, das quer durch alle Gesellschaftsschichten und Nationalitäten geht.“Es sei zutreffend, dass zum Jahreswechsel oftmals Zuwanderer Täter waren. Es sei denkbar, so Rieger, dass bei einzelnen Flüchtlingen die Einstellung zur Polizei „ aufgrund negativer Erfahrungen im jeweiligen Herkunftsland kritisch sein kann“. Insofern wäre es nachvollziehbar, wenn Zuwanderer nicht sofort Vertrauen in die hiesigen Strafverfolgungsbehörden fassen würden.
Wenn es um die Aufklärung von Straftaten geht, könnte die Sprachbarriere eine Hürde sein. Massive Probleme erkennt Polizeisprecher Rieger nicht: „Die Kommunikation mit Syrern, Irakern oder Afghanen unterscheidet sich nicht vor der mit Ausländern anderer Herkunft. Wir setzen in der Aus- und Fortbildung unserer Beamten einen Schwerpunkt auf interkulturelle Kompetenz und bemühen uns verstärkt um Nachwuchs mit entsprechenden Sprachkenntnissen.“Sollten sich vor Ort zwischen Polizeibeamten und Zuwanderern Sprachbarrieren auftun, versuche man oft, sich über einen Landsmann zu verständigen. Rieger weiter: „In allen formellen Angelegenheiten, beispielsweise der Beschuldigten- oder Zeugenvernehmung eines Zuwanderers ist die Hinzuziehung eines Dolmetschers obligatorisch und auch aufgrund des einschlägigen Strafprozessrechts zwingend vorgeschrieben.“Zur Auseinandersetzung im Nachtbus und dem Messerstich an Neujahr laufen derzeit die Ermittlungen, hieß es am Montag.
„Heroes“(englisch für Helden) heißt ein Projekt in Augsburg, das zur Integration von jungen Leuten mit Migrationshintergrund beitra- gen soll. Es läuft seit dem Jahr 2012. Der Verein Brücke kümmert sich darum. Erwin Schletterer, Leiter des Vereins, weiß um das Denken bei jungen Männern, wenn es um den Begriff „Ehrenkultur“geht. In den patriarchalisch geprägten Kulturen herrsche die Ansicht, Mädchen und Frauen müssten sich unterordnen. Sie sollen sich zudem nicht freizügig zeigen, wenn es um Sexualität geht. Da herrsche teils ein Denken wie dieses: „Wer nachts als Frau allein unterwegs ist, hat seine Ehre verwirkt und ist eine Schlampe.“Dies mag ein Grund sein, sagen Experten, dass es zu Formen von Belästigungen komme – so wie in der Silvesternacht, als in einer Augsburger Diskothek drei Afghanen zwei 18-jährigen Frauen mehrfach ans Gesäß gefasst haben sollen. Die Männer bestreiten die Tat. Dass junge Flüchtlinge Unterstützung vom Projekt „Heroes“erhalten, ist eine Frage der sprachlichen Fähigkeiten. Um ein „Held“zu werden, müsse man sich gut auf Deutsch ausdrücken, sagt Schletterer.
Dass eine intensive Betreuung von Flüchtlingen eine gesellschaftspolitische Herausforderung sein müsse, hat Hans Wengenmeir, der langjährige Chef der Kripo-Gewerkschaft, in einem Interview mit unserer Zeitung geäußert: „Was man im Auge behalten muss, ist die Tatsache, dass viele der Flüchtlinge durch Kriegserlebnisse schwer traumatisiert sind. Sie brauchen unbedingt Betreuung, damit sie nicht abrutschen. Ich glaube, das wurde anfangs unterschätzt.“
Oberbürgermeister Kurt Gribl hat in seiner Neujahrsbotschaft Stellung zum Thema Asyl bezogen. Rund 2700 Menschen mit und ohne Bleiberecht leben derzeit in Augsburg. Darunter sind rund 300 unbegleitete Minderjährige. Die Stadt strenge sich an, damit das Zusammenleben der Aufnahmegesellschaft mit den Geflüchteten funktioniert, sagt Gribl. „Jetzt geht es darum, Integration gelingend zu gestalten.“Der Weg führe über das Erlernen der deutschen Sprache. Wer länger in Deutschland bleiben könne, müsse in Aus- und Fortbildung gebracht werden. Gribl sagt aber auch, dass Flüchtlinge die hier geltenden kulturellen Werte anerkennen sollten: „Es muss gelingen, diese Werte zu vermitteln, damit die Aufnahmegesellschaft nicht überfordert wird.“
»Kommentar, Seite 30