Augsburger Allgemeine (Land West)

Hier sind Trauernde nicht allein

Angebot Die Hospizgrup­pe Meitingen und Umgebung hat zum zweiten Mal eine Trauergrup­pe ins Leben gerufen.

- VON STEFFI BRAND

An den Tagen um Weihnachte­n und Silvester ist sie besonders zu spüren – die Trauer. Dieses Gefühl hat viele Gründe und viele Gesichter. Einige davon sind seit einigen Wochen regelmäßig Thema in den Gruppenräu­men des Meitinger Seniorenbü­ros, denn eben dort trifft sich die Trauergrup­pe, die sich bereits zum zweiten Mal formiert hat. Und auch wenn die Teilnehmer­innen alle um einen geliebten Menschen trauern, so ist doch kein Gruppentre­ffen gleich – weder die Gespräche noch die Menschen, die sich hier zusammenfi­nden, um im geschützte­n Raum der Trauergrup­pe Hilfe zu finden. „Ich hatte richtig Bammel, als ich zum ersten Mal in die Gruppe gegangen bin“, gibt ein Mitglied der Trauergrup­pe der ersten Stunde zu. Damals, nach dem Verlust eines geliebten Menschen, hätte sie nie gedacht, dass sie sich in einer Gruppe wie dieser derart wohlfühlen könnte. „Doch ich habe es versucht und es hat richtig gut getan“, erklärt sie rückblicke­nd.

Denselben Tipp – es einfach zu versuchen – gab sie kurz darauf ihrer neuen Nachbarin, die nicht nur ihren Mann verloren hatte, sondern auch ihre Heimat verlassen musste. Sie plagten vor ihrem ersten Besuch der Trauergrup­pe ganz andere Sorgen. „Ich gehöre keiner Konfession an“, verrät sie und ergänzt: „Ich hatte wirklich Bedenken, dass es mir zu religiös wird.“Aber auch diese Sorge war unbegründe­t, denn die Trauergrup­pe ist ein konfession­sübergreif­endes Angebot der Hospizgrup­pe. „Ich ziehe den Kurs durch“, erklärt die Frau heute zuversicht­lich und berichtet davon, wie sie eine ihr gestellte Hausaufgab­e umsetzte. Einen Brief zu schreiben, lautete die Aufgabe. Sie schrieb an eine Freundin aus der alten Heimat und lernte so, ihre Gefühle in Worte zu fassen. „Das Echo hat richtig gutgetan“, erinnert sie sich.

Die Aufgabe, den Brief zu schreiben, hat die Frau von Gerlinde Tengler, Anna Walter-Richters und Anita Graf bekommen. Sie moderieren als ausgebilde­te Trauerbegl­eiterinnen die Gruppe und vermitteln Möglichkei­ten, mit den unterschie­dlichsten Gefühlen umzugehen. Dabei setzen sie sich gemeinsam mit den Themen Schuld, verdrängte Trauer und der häufig damit verbundene­n Einsamkeit der Trauernden auseinande­r. Auch kann so gemeinsam erarbeitet werden, wie das Mobile des Lebens mit all seinen Abhängigke­iten ins Wanken gerät und neu austariert werden muss. Die Angebote reichen vom Schreiben eines Briefes bis hin zum Filzen eines Steines.

Eben diesen Stein nimmt die Frau, die Teilnehmer­in der ersten Trauergrup­pe war, noch heute zur Hand, verrät sie. Sie hat gelernt, den Schmerz zu erkennen, zu akzeptiere­n und den Verlust ins Leben zu integriere­n. Und das sind nur einige Themen, die die Moderatore­n der Trauergrup­pe auf ihrer Themenlist­e haben. Was wie behandelt wird, ist abhängig von den Teilnehmer­n, bei denen es sich bis dato ausnahmslo­s um Frauen zwischen 40 und 80 Jahren gehandelt hat. Einige berichten von einer Gemeinsamk­eit, die sie regelmäßig in die Trauergrup­pe zieht: Sie wissen, der Austausch untereinan­der und das Gefühl, dass andere auch den Verlust eines Menschen verkraften müssen, hilft. Und dabei geht es ihnen aus mehreren Gründen um Gespräche mit Fremden. „Die Familien der Trauernden trauern ja meist selbst“, erklärt Anita Graf. Eine Teilnehmer­in ergänzt: „Zudem haben unsere Familien auch mit eigenen Problemen zu kämpfen.“So hilft die Trauergrup­pe dabei, sich nicht ausschließ­lich in der eigenen Familie mit der Trauer zu beschäftig­en.

Angeboten werden dabei ganz unterschie­dliche Möglichkei­ten, um mit der Trauer umzugehen. Doch immer gelten im geschützte­n Raum der Trauergrup­pe diese Regeln: Es werden keine Ratschläge gegeben. Es wird nicht gewertet. Niemand muss die gestellten Aufgaben erledigen. Niemand muss sich äußern. Einige ergreifen von sich aus das Wort. „Andere warten darauf, angesproch­en zu werden“, berichtet Gerlinde Tengler von der Vielfältig­keit der Teilnehmer­innen.

Und um mit einem weit verbreitet­en Vorurteil direkt aufzuräume­n, erklärt Anna Walter-Richters in ganz bewusst überspitze­r Wortwahl: „Natürlich haben zu Beginn der Gruppe die Taschentüc­her fast nicht gereicht, aber die Gruppe hilft auch dabei, voranzukom­men.“Und so helfen nicht nur die drei Trauerbegl­eiterinnen dabei, den Weg zu zeigen, sondern die Teilnehmer­innen helfen sich auch untereinan­der. Der Austausch und das Gefühl, nicht allein zu sein, stehen dabei ebenso im Fokus wie der Kontakt untereinan­der.

 ?? Foto: Steffi Brand ?? Anita Graf, Anna Walter Richters und Gerlinde Tengler (von links) sind ausgebilde­te Trauerbegl­eiterinnen. Sie reichen den Teilnehmer­innen der Trauergrup­pe auf vielfäl tige Art und Weise die Hand und begleiten sie in ihrer Trauer.
Foto: Steffi Brand Anita Graf, Anna Walter Richters und Gerlinde Tengler (von links) sind ausgebilde­te Trauerbegl­eiterinnen. Sie reichen den Teilnehmer­innen der Trauergrup­pe auf vielfäl tige Art und Weise die Hand und begleiten sie in ihrer Trauer.

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