Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Könige mit der Bommelmütze
Kirche Was die Sternsinger in Zusmarshausen erleben und warum der Leiterwagen, den sie dabei haben, so wichtig ist
Zusmarshausen
Könige dürfen auch Bommelmützen tragen. Denn die Nachfolger der drei Weisen aus dem Morgenland sind nicht zur Krippe im warmen Bethlehem unterwegs, sondern bei Kälte und Schnee in Zusmarshausen. Deshalb haben Thanh-Tam, Julia und Svenja an diesem Montag dicke Socken, Schals, Handschuhe und Anoraks an – und darüber glitzernde Kleider und Umhänge. Auf den Bommelmützen sitzen goldene Kronen. Die drei Mädchen waren gestern als Sternsinger unterwegs, brachten den Segen für das neue Jahr und sammelten Spenden für Kinder in Not. In der Mittagspause, gestärkt mit Spaghetti und Schokopudding, erzählen sie von ihren Erlebnissen.
An diesem Ferientag sind sie schon früh aufgestanden, berichtet die zehnjährige Thanh-Tam. Denn seit 9 Uhr sind sie unterwegs. Sie klingeln an den Türen, schwenken das Weihrauchfass, singen ein Lied, sagen ihr Gedicht auf. Manchmal passiert ein kleiner Fehler, gibt Julia zu. „Für den Notfall habe ich meinen Spickzettel dabei“, erzählt die Zwölfjährige. Aber nach ein paar Häusern können die Könige ihren Text sowieso ganz automatisch. Ein paar Dutzend Familien haben die Kinder an diesem Vormittag schon den Segen gebracht, etwa Hundert Adresse haben sie auf ihrer Liste. In der Gelddose klappert es schon verheißungsvoll. „Vor allem in den Mehrfamilienhäusern waren aber nicht so viele Leute da“, erzählt Sebastian. „Werktags sind eben viele Leute in der Arbeit.“Sebastian ist schon ein echter Sternsinger-Profi.
Jahre lang ist er selbst als König gegangen, heuer begleitet der 15-Jährige zusammen mit der gleichaltrigen Yen-Nhi die Gruppe.
In den vielen Jahren als Sternsinger haben die beiden schon einiges erlebt. Ein Mann hat zum Beispiel mal nur in der Unterhose geöffnet. Und eine Frau hat vor den Kindern die Tür zugeschlagen mit der Bemerkung „Es ist doch noch nicht Fasching!“. Aber die meisten Leute wissen, warum sie unterwegs sind, dass sie Geld für Kinder in Not sam-
meln, erzählt Sebastian. „Viele Menschen warten schon ungeduldig auf uns.“Da lohnt es sich, einen Teil der Ferien zu opfern, findet die zwölfjährige Svenja, die heuer zum zweiten Mal dabei ist: „Das ist lustig“, sagt sie. „Und eine gute Tat.“
Im vergangenen Jahr haben die Sternsinger allein in der Pfarrei Zusmarshausen etwa 7000 Euro gesammelt. In ganz Deutschland waren es mehr als 46,2 Millionen Euro. Eine beeindruckende Summe. Gabi Lehner ist froh, dass sie dazu etwas beiSechs tragen kann. Sie ist die Mutter von Sebastian und eine von drei Frauen, die in Zusmarshausen die Sternsingeraktion organisieren. „Uns geht’s so gut, da können wir schon was abgeben“, sagt sie. Bis so viel Geld für den guten Zweck zusammen kommt, muss aber einiges organisiert werden: Kinder und Begleiter anwerben, Gruppen und Gebiete einteilen, Materialien bestellen, Gewänder nähen, ausbessern und waschen, Geld im Pfarrheim entgegennehmen und bei der Bank einzahlen, das Abschlussfest vorbereiten...
In Zusmarshausen sind noch bis Donnerstag insgesamt 45 Kinder in zwölf Gruppen unterwegs. Sie klingeln an jeder einzelnen Tür im Ort. Das ist nicht mehr überall möglich: Es machen nicht mehr genug Kinder mit, deshalb muss man sich mancherorts für einen Sternsingerbesuch anmelden. Auch Gabi Lehner erzählt, dass es immer schwieriger wird, Sternsinger zu finden – „das liegt aber meist nicht an den Kindern, sondern an den Eltern“. Doch die, die dabei sind, sind es mit Begeisterung. Und oft viele Jahre lang. So wie Thanh-Tam, Julia und Svenja mit ihren Begleitern Sebastian und Yen-Nhi. Das liegt nicht nur, aber auch, an dem kleinen Leiterwagen, den sie mitziehen. Der füllt sich im Laufe des Tages nämlich mit immer mehr Süßigkeiten, die die Menschen den Sternsingern schenken. Am Abend teilen die Kinder sie unter sich auf – und jeder bringt eine große Tasche voll mit nach Hause. „Das Süßigkeitenverteilen ist immer das Schönste“, weiß Gabi Lehner aus Erfahrung. Und natürlich der Pizza- und Filmabend am Donnerstag zum Abschluss.