Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Könige mit der Bommelmütz­e

Kirche Was die Sternsinge­r in Zusmarshau­sen erleben und warum der Leiterwage­n, den sie dabei haben, so wichtig ist

- VON MANUELA BAUER

Zusmarshau­sen

Könige dürfen auch Bommelmütz­en tragen. Denn die Nachfolger der drei Weisen aus dem Morgenland sind nicht zur Krippe im warmen Bethlehem unterwegs, sondern bei Kälte und Schnee in Zusmarshau­sen. Deshalb haben Thanh-Tam, Julia und Svenja an diesem Montag dicke Socken, Schals, Handschuhe und Anoraks an – und darüber glitzernde Kleider und Umhänge. Auf den Bommelmütz­en sitzen goldene Kronen. Die drei Mädchen waren gestern als Sternsinge­r unterwegs, brachten den Segen für das neue Jahr und sammelten Spenden für Kinder in Not. In der Mittagspau­se, gestärkt mit Spaghetti und Schokopudd­ing, erzählen sie von ihren Erlebnisse­n.

An diesem Ferientag sind sie schon früh aufgestand­en, berichtet die zehnjährig­e Thanh-Tam. Denn seit 9 Uhr sind sie unterwegs. Sie klingeln an den Türen, schwenken das Weihrauchf­ass, singen ein Lied, sagen ihr Gedicht auf. Manchmal passiert ein kleiner Fehler, gibt Julia zu. „Für den Notfall habe ich meinen Spickzette­l dabei“, erzählt die Zwölfjähri­ge. Aber nach ein paar Häusern können die Könige ihren Text sowieso ganz automatisc­h. Ein paar Dutzend Familien haben die Kinder an diesem Vormittag schon den Segen gebracht, etwa Hundert Adresse haben sie auf ihrer Liste. In der Gelddose klappert es schon verheißung­svoll. „Vor allem in den Mehrfamili­enhäusern waren aber nicht so viele Leute da“, erzählt Sebastian. „Werktags sind eben viele Leute in der Arbeit.“Sebastian ist schon ein echter Sternsinge­r-Profi.

Jahre lang ist er selbst als König gegangen, heuer begleitet der 15-Jährige zusammen mit der gleichaltr­igen Yen-Nhi die Gruppe.

In den vielen Jahren als Sternsinge­r haben die beiden schon einiges erlebt. Ein Mann hat zum Beispiel mal nur in der Unterhose geöffnet. Und eine Frau hat vor den Kindern die Tür zugeschlag­en mit der Bemerkung „Es ist doch noch nicht Fasching!“. Aber die meisten Leute wissen, warum sie unterwegs sind, dass sie Geld für Kinder in Not sam-

meln, erzählt Sebastian. „Viele Menschen warten schon ungeduldig auf uns.“Da lohnt es sich, einen Teil der Ferien zu opfern, findet die zwölfjähri­ge Svenja, die heuer zum zweiten Mal dabei ist: „Das ist lustig“, sagt sie. „Und eine gute Tat.“

Im vergangene­n Jahr haben die Sternsinge­r allein in der Pfarrei Zusmarshau­sen etwa 7000 Euro gesammelt. In ganz Deutschlan­d waren es mehr als 46,2 Millionen Euro. Eine beeindruck­ende Summe. Gabi Lehner ist froh, dass sie dazu etwas beiSechs tragen kann. Sie ist die Mutter von Sebastian und eine von drei Frauen, die in Zusmarshau­sen die Sternsinge­raktion organisier­en. „Uns geht’s so gut, da können wir schon was abgeben“, sagt sie. Bis so viel Geld für den guten Zweck zusammen kommt, muss aber einiges organisier­t werden: Kinder und Begleiter anwerben, Gruppen und Gebiete einteilen, Materialie­n bestellen, Gewänder nähen, ausbessern und waschen, Geld im Pfarrheim entgegenne­hmen und bei der Bank einzahlen, das Abschlussf­est vorbereite­n...

In Zusmarshau­sen sind noch bis Donnerstag insgesamt 45 Kinder in zwölf Gruppen unterwegs. Sie klingeln an jeder einzelnen Tür im Ort. Das ist nicht mehr überall möglich: Es machen nicht mehr genug Kinder mit, deshalb muss man sich mancherort­s für einen Sternsinge­rbesuch anmelden. Auch Gabi Lehner erzählt, dass es immer schwierige­r wird, Sternsinge­r zu finden – „das liegt aber meist nicht an den Kindern, sondern an den Eltern“. Doch die, die dabei sind, sind es mit Begeisteru­ng. Und oft viele Jahre lang. So wie Thanh-Tam, Julia und Svenja mit ihren Begleitern Sebastian und Yen-Nhi. Das liegt nicht nur, aber auch, an dem kleinen Leiterwage­n, den sie mitziehen. Der füllt sich im Laufe des Tages nämlich mit immer mehr Süßigkeite­n, die die Menschen den Sternsinge­rn schenken. Am Abend teilen die Kinder sie unter sich auf – und jeder bringt eine große Tasche voll mit nach Hause. „Das Süßigkeite­nverteilen ist immer das Schönste“, weiß Gabi Lehner aus Erfahrung. Und natürlich der Pizza- und Filmabend am Donnerstag zum Abschluss.

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